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Zur „Spirituellen Anamnese“

(z. B. FICA, SPIR, HOPE etc.)

1. Intention

  • Ganzheitliche Versorgung
  • Erfassung spiritueller Bedürfnisse und Ressourcen
  • Instrumente, damit auch das Religiös-Spirituelle überhaupt ins Spiel kommt
  • Wenn „Spiritualität“ zum Versorgungskonzept gehören soll, dann muss es auch Instrumente für die medizinischen Fachkräfte geben, dem nachzukommen
  • Standard-Fragen, weil die mediz. Fachkräfte nicht tiefer bohren dürfen. Sie müssen sich an diesen Katalog halten: Schutz für die Patienten.
  • Durch Fragen werden noch andere als die üblichen Ressourcen zur Versorgung angestoßen.

2. Vorteile

  • Sie bringen Berufe, die auf Machbares trainiert sind zu Nachdenken über noch andere „Räume“
  • Befähigen zu Formulierungs- und Kommunikationskompetenz bzgl. des Spirituellen
  • Nach etwas „fragen“ zeigt: hier ist mehr möglich als rein funktionelle Behandlung, es werden weitere Räume geöffnet
  • Anstoß/Türöffner für weitere Gespräche und Themen mit existenziell-spirituellem Bezug. Signalisieren, dass auch andere spirituelle Belange zur Sprache kommen dürfen als das direkt Gefragte
  • Fragen können Beziehung öffnen, aber auch verschließen, können Vertrauen schaffen, brauchen aber auch Vertrauen
  • Fachkräfte sind „Außenstehende“ mit gewisser Neutralität, die aber Interesse zeigen und empathisch reagieren
  • Fragen nach dem Religiös-Spirituellen erscheinen im medizinisch-pflegerischen Kontext als „normal“, dadurch ist auch das Spirituelle „normal“ und zum Menschsein gehörig
  • Professionelle als Brücke zu Spiritualität / Religion / Seelsorge / Spiritual Care
  • Alle im Team erhalten Information
  • Fragen bringen das explizit Benennbare und Identifizierbare an der spirituellen Dimension ins Gespräch
  • Geben dem Patienten zu verstehen, dass seine rel.-spirit. Einstellungen beachtet werden und er damit wertgeschätzt wird

3. Grenzen

  • Bringen das Benennbare und begrifflich Formulierbare ins Gespräch. Es ist also zu bezweifeln, ob die spirituelle Dimension eines Menschen mit ihrem ganzen Reichtum hinreichend erfasst wird; vielleicht nicht einmal die entscheidenden Aspekte seiner spirituellen Erfahrung
  • Fragen zu FICA und SPIR signalisieren, dass Spiritualität letztlich doch wieder auf religiöse Einstellung und Praxis zurückzuführen ist (Glauben, Zugehörigkeit, bewusste Anbindung)
  • Direkte Fragen „welche Hoffnung haben Sie, was gibt Ihnen Kraft?“ gehen davon aus, dass Menschen über ihr Innerstes zureichend Auskunft geben können
  • Sie sind eine Momentaufnahme. Mit zu bedenken ist, dass die spirituelle Einstellung im Verlauf der Auseinandersetzung mit einer Krankheit einem Prozess und einer Wandlung unterliegt; d.h. der Patient darf nicht über die ganze Zeit darauf reduziert werden
  • Auch bei schwierigen „Antworten“ muss der Patient nicht als behandlungsbedürftig und problembehaftet gesehen werden
  • Nichtseelsorgliche Helfer sind in der Regel nicht ausreichend geschult, auf schwierige z.B. religiöse Probleme einzugehen. „Antworten“, vertiefte Bearbeitung gehören nicht in ihre Kompetenz und in Ihre Rolle. Patienten dürfen spirituell begleitet, aber nicht zwangskomplettiert werden
  • Die Fragen sind sehr intim, müssen also sehr sensibel formuliert und kommuniziert werden. Fachkräfte dürfen nicht zu persönlich werden. Der Arzt ist Arzt, die Pflegende Pflegende und nicht Fachleute in Spiritual Care
  • Ehrenamtliche machen in der Regel keine spirituelle Anamnese (wohl die Hospizkoordinatorin … )
  • Versteht der Patient das Wort „Spiritualität“? Wie kann es in Kurzform erklärt werden (Kursübung!)?
  • Fachkräfte dürfen keine (negativen oder übertrieben positiven) Projektionen auf Spiritualität/Religion machen.

4. Anwendung in der Praxis (siehe E. Weiher Das Geheimnis des Lebens berühren)

Entscheidend ist, wie das Anamnese-Gespräch begründet, eingeleitet und abgeschlossen wird

  • Rechnet der Patient damit, dass in dieser Einrichtung so gefragt wird?
  • In der Regel nicht gleich im Zusammenhang mit der Erstdiagnose oder bevorstehender OP.
  • Welches Setting braucht es?
  • Die Fragen sind flexibel zu handhaben. Die Schrittfolge muss dem Interviewer überlassen bleiben. Sie ist nicht streng linear. Z. B Kann mit „I“ begonnen werden und daraus können sich weitere Themen entwickeln.
  • Der Begleitende muss seine Sprache und er4gänzende Fragen innerhalb SPIR finden.
  • Zuerst Erklärung, warum danach gefragt wird. Z. B. „Auf unserer Station/Einrichtung/Haus …. fragen wir (nicht „ich“, sondern in Rolle (= systemisch, Sorgekontext, nicht privat) ….“ , „Darf ich Sie fragen …. , weil wir Patienten auch in dieser Hinsicht ernstnehmen und gut begleiten wollen. … Möchten Sie darauf eingehen … ?“ Türöffner für weitere Gespräche / Themen
  • Bei der Entlassung in die SAPV können solche Fragen wichtig sein („mit wem können Sie in solchen Fragen weiter in Beziehung sein … ?“)
  • Es muss dem Patienten klar sein, wie mit den Antworten weiter umgegangen wird: Was steht in der Akte, was wissen die anderen Behandler von mir, wie wird das kommuniziert, Schweigepflicht und Weitergabe ins Team: „Darf ich diesen Punkt…., ich möchte gerne diesen Punkt … , was davon darf ich … ? Ist es Ihnen recht… ?
  • Zusammenfassung durch den Interviewer, was gehört und was davon ins Team
  • Nachklingen lassen, nicht sofort an Seelsorge/Pfarrer delegieren. Der Fachberuf hat ein „Containing“, es muss nicht alles weiterbearbeitet werden; durch gute Resonanz kann es ausreichend „bearbeitet“ sein. Dem Patienten muss der Eigenwert dieser Anamnese deutlich sein.
  • SPIR etc. ist nicht nur Information, sondern dient auch der Bedeutungsgebung und –findung des Patienten
  • Am Ende: Wie geht es Ihnen jetzt damit, dass wir so gesprochen haben?

(Erhard Weiher)