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Trost in der Seelsorge

Wie können die Helfenden trösten?

Ein Tagesseminar

  1. Hinführung

Trost ist kein Lieblingsthema in Philosophie und Psychologie (siehe Beiblatt „Warum ist es (neuerdings wieder) erlaubt zu trösten?“) Trost gilt oft als Fortschritts-Verweigerung.

Aktuelle Literatur: ZEIT-Artikel (2021), Leidfaden, Praxis Palliativ Care, DLF Sendung (2022), Wilhelm Schmid (2014), Habermas etc. Auch: Weiher 2014 „Geheimnis“ S. 213 – 223

In diesem Seminar: Verschiedene Zugänge kennenlernen

  1. Ein erster Zugang
    • Einstieg mit einer Erfahrung / Übung
      • Paare: Wählt ein „kleines“ Alltagsproblem (nichts Dramatisches, nichts Traumatisches …), 10 Min. nur einmal Begleiter-Klient (weil kein Selbsterfahrungsseminar, sondern berufliche Schulung)
      • Was hat getröstet? Was macht die Erfahrung, dass es tröstete, aus? (Fallbringer)
      • Mögliche Ergebnisse: Gesehen werden, bin nicht allein, auf Resonanz stoßen, Wertschätzung und Zutrauen erfahren, Anteil an mir erfahren, „es“ ist normal, es mir von der Seele reden können, meine Wahrnehmung und meine Gefühle „stimmen“ („Erlaubnis“ durch andere), „es“ sortiert und relativiert sich, neue Perspektiven entstehen, „ich bin noch wer“.
      • Wie hat der Begleiter getröstet?
      • Ergebnisse an Flipchart (s. Beiblatt: Trost ermöglichen – Trost erfahren)
    • Diskurs: Basis-Funktionen (psychosozial) gelten für alle Berufe
      • Erinnerung an Trost in der Kindheit: „Sandkasten“, Erinnerung „was hat mich einmal getröstet?“ (Zwei Minuten Stille, wird nicht ausgetauscht)
      • Basishaltung: Seinen „Seelenraum“ freimachen und zur Verfügung stellen: Haltung, Raum lassen, das Leid dem Klienten „lassen“, Gesten, Aushalten, Dabeibleiben (s. Beiblatt)
    • Was ist Trösten / was ist es nicht?
      • Etymologie z.B. Weiher „Geheimnis“ S. 214: Vertrauen, Festigkeit („Kernholz“ eines Baumes)
      • Unterscheidungen / Vertrösten etc. (s. Beiblatt) (Beispiele für Vertrösten gibt es in der Literatur genügend, müssen hier nicht wiederholt werden)
      • Erarbeiten von Kriterien für Trost (im Plenum, Flipchart) aus den Ergebnissen von 2.1 (siehe Beiblatt), Trost ereignet sich eher implizit.
    • Kriterien:
      • subjektives Erleben des Betroffenen (Veränderung spürbar, Erleichterung, Entspannung (Atem. Augenfältchen …)
      • Beziehung „sinnvoll“, von Intention geleitet, aber „zweckfrei“
      • die erfahrbare Beziehung, Authentizität (aber wieweit? Identifikation, eigene Gefühle benennen?)
      • das mitfühlende Lassen (ohne Deutung, evt. Schweigen, aber Resonanz!), auch „mitbewegendes Lassen“.

Aber das ist nicht alles, was den Begleitenden zur Verfügung steht!

  1. Die spirituelle Dimension als Trostquelle einbeziehen
    • Sich auf die Spur der Spiritualität begeben und dies für die Suche nach Ressourcen zu nutzen.
    • Meine Definition von Spiritualität: „der innere „Geist“ im Menschen“. Daher: Jedem Menschen (s)einen inneren Geist glauben, mit dem ich in Beziehung kommen kann bzw. zu dem er mir durch seine Lebenserzählungen den Schlüssel in die Hand gibt. „Spiritualität“ als Verbindungsglied in der säkularen Moderne zwischen Religion und Pragmatismus.
    • Wie damit in Beziehung kommen (Impuls „Begegnungsspiritualität“ (s. Weiher „Geheimnis“ S. 83 ff) Punkt 2)?
      • Arbeit mit einem Beispiel: „Meine Beine sind ja nur noch Schaschlik-stäbchen“, „Ich bin ja nur noch eine Ruine …“
      • Wofür werde ich da gebraucht? Ideen aus dem Plenum. Mögliches Ergebnis: Zur Sicherung von Identität und Bedeutung als Trost-Ressourcen
      • Gesprächsmethode: Hineinführen Hindurchführen, Hinausführen (z. B. befähigen zu einem Vermächtnis (sich über den Tod hinaus entwerfen)
      • 4 Ebenen (s. Weiher „Geheimnis“)
    • Ziel: Dass der Klient wieder Vertrauen in sich findet, „trust“ durch Identität und Spiritualität (
    • Trost entsteht in Beziehung: Es braucht ein Gegenüber, damit der Klient zu sich selbst findet. Dieses „Gegenüber“ kann auch ein Text, eine Musik, ein Kunstwerk, ein Tagebuch, ein Symbol, eine Selbsterfahrung (wie z. B. im Schreiben) sein (Achtung: keine Fremddeutung durch die Begleiter). Es braucht den „Seelenraum“ eines „Anderen“ (das kann auch mein eigenes Gegenüber sein (z. B. „Brief an mich“ oder von einem „guten Freund“ oder einer Figur aus der Bibel))
  • Ziel: Ressource entdecken / erschließen, nicht beim Defizit bleiben.
    • Das Schwere ist noch da, aber das Leiden am Leiden wird gemildert (J. M. Simmel). Eine Ressource beseitigt nicht das Leiden, bildet aber ein Gegengewicht, um das Schwere tragen zu können. Kompensationsstrategien gegen die Verletzlichkeit / „Blöße“ des Menschen.
  • Nach H. Petzold: „Menschen sterben getrösteter wenn sie sich ihre Lebensspanne aneignen können.“
  • Rolle der Religion: Keine Erklärungen, keine theologischen Konzepte, sondern Symbole und Rituale als Trosträume, in denen ich mich und dich erfahren kann / darf. Aber auch Zuspruch aus dem Repertoire der Religion: „Gott wird sicher …“, „Darf ich Ihnen sagen, wie ich das aus meinem Glauben heraus sehe …“
  1. Trost beim Unlösbaren
  • Am Beispiel der Warum-Frage
    • „Warum hat Gott …“, Achtung: Die Warum Frage ist nur bei wenigen Menschen religiös konnotiert! Die Teilnehmenden sollen Beispiele aus ihrer Berufspraxis nennen. (Z. B. „Warum – wo wir doch immer gesund gelebt haben“, „Warum gerade ich?“)
  • Strategie: Ein „Nest“ aus der Sinnvergewisserung und Spiritualität bauen, das die Trauer bergen kann.  Die Tragekraft für das Unerträgliche erhöhen.
  • Am Ende auf die Trauer zurückkommen, den Schmerz nicht übergehen.
  • Ein anderes Bild: „Wiegen“: Wie ein verletztes „Kind“ für kurze Zeit in meine Arme nehmen, in meinen Seelenraum „übernehmen“ und dann wieder dem Klienten zurückgeben. Evt. befähigen zum Tragen („Schuld kann mit Segen getragen werden“ G. Hartmann)
  • Logik der Spiritualität (die Ordnung des Lebens repräsentieren)
  • Die Würde der Untröstlichkeit reflektieren (F. Steffensky)
  1. Rituale als Geleit und Trostraum (Eltern und ihr Kind vor dem Schlafengehen …)
  • Beispiel: Abschied am Totenbett
    • Bei Trauer: „Vor 35 Jahren ist meine Tochter gestorben“ (Beiblatt)
  • Wofür steht Religion? Vertrautheit, Heimat, Beziehung zu umfassendem Sinn durch Lieder, Symbolräume, Schriftworte, Gebet, Segen: womit arbeiten die Teilnehmer, womit machen sie gute Erfahrungen?
  1. Der Container und unsere Symbolrolle
  • Symbolrolle der Seelsorge,
  • „Was ist für Euch die unterste Schicht im Container?“ In Paaren
  • Was tröstet uns? Was nehme ich als Trost in Anspruch?

Medien für den Begleitprozess

(Punkt 1-4 wird nach jedem Schritt auf Folie gezeigt und am Ende als Blatt ausgeteilt)

  1. Beziehung (psychosozial)
    • Zuwendung, Achtsamkeit etc.
    • Kommunikation: Resonanz, Schweigen (s. Hineinführen): Abstinenz!
    • „Berühren“: physisch oder mit Haltung, „ach ja …“, Seufzen …
    • Mimik, Gesten …
  1. Raum geben, Raum zur Verfügung stellen (für Existenzielles)
    • Haltung, Empathie, mich einlassen, aushalten, zulassen, bestätigen
    • Vertrauensraum
    • „Seelenraum“ zur Verfügung stellen
    • Solidarität
    • Raum für die „Wahrheit“ dieses Leides, der Gefühle, des Existenziellen, der Klage; keine Deutungen
    • Bilder, Kunst, Musik als Raum für Selbsterkundung / Selbstdeutung
  1. Ressourcen und Gegengewichte, Bedeutung geben / finden
    • Identität, Spiritualität (Hindurchführen)
    • Würdeempfinden durch Wertschätzung
    • Selbstvergewisserung,
    • Sinnvergewisserung aus Lebensgeschichte, Sinnentdeckung
    • Selbstwirksamkeit, Befähigung (Hinausführen)
  1. Container (spirituell, religiös)
    • Haltgeben durch Rolle (Symbolrolle): Zeuge, Auffangen
    • Solidarität im Menschsein, im Glauben
    • „wiegen“, „in den Arm nehmen“, bergen, „übernehmen“, Stellvertretung
    • Auch die Trauer selbst hat Trostpotenzial, hat ihre eigene Würde
    • Symbole (Musik, Bilder … ) anbieten
    • Spiritueller Zuspruch (Psalmwort, Liedvers, Weisheitswort …), auf billigen Trost verzichten
    • Rituale
    • Sinn und Ordnung des Lebens repräsentieren
    • Unterstützung anbieten

Wie entsteht also Trost im Klienten?

  1. Halt, Vertrauen zu sich selbst, in sich selbst, Festigkeit, Würdeempfinden, Sinn erfahren (Beziehung zu sich selbst finden)
  2. Halt, Vertrauen im Anderen: mitgetragen werden, Resonanz, Solidarität, Bestätigung, Befähigung. (Sich in Beziehung zu Anderen, zur Welt erfahren)
  3. Halt (unverbrüchlich) durch Aufgehoben-sein / Geborgensein / Beziehung zu/in einem „ganz“ Anderen: Transzendenz, Gott, dem Göttlichen, einem übergreifenden Sinn