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Seelsorge in Palliative Care

Abstract

Dieses Kapitel greift zuerst das Thema auf, wie sich Seelsorge heute in einer multispirituellen und multireligiösen Landschaft neu orientieren muss. Zunächst geht es darum, in einer kurzen historischen Skizze die Entwicklung der Seelsorge aus einer traditionellen Zeit heraus in die Postmoderne darzustellen, um zu verstehen, was der Hintergrund ihrer Arbeit heute ist. Schließlich trifft sie auf immer mehr Menschen, die keine religiöse Bindung haben, denen sie aber dennoch ihre Begleitung auf dem Weg einer ganz persönlichen Sinnsuche – gerade am Ende des Lebens – anbieten will. – Den Inhalt dieses ersten Teils bildet eine Aufgaben- und Profilbeschreibung und der Umriss einer Methodendarstellung für die Seelsorge in einer multispirituellen Welt. Dabei wird auch die Frage berührt, welche Art von „Seelsorge“ die Arbeit der anderen Berufe darstellt und was das eigene Profil der Fachseelsorge ist.

Im zweiten Teil werden die Möglichkeiten der Arbeit der Seelsorge im multiprofessionellen Kontext dargestellt. Dabei wird deutlich werden, was Seelsorge als eigene Profession zur palliativen Versorgung der Patienten, aber auch zur Unterstützung der anderen Mitglieder im Team beitragen kann. In einem Beispiel wird die Arbeit der Seelsorge in einer Palliativstation konkret dargestellt (Anhang 2). Im Zusammenhang mit dem Selbstverständnis der Seelsorge im palliativen Kontext werden außerdem wichtige Stichworte wie die interreligiöse Perspektive, Schweigepflicht, Dokumentation, Mitarbeit bei ethischen Fragen aufgegriffen und diskutiert.

Studienziele

  1. Die nichtseelsorglichen Berufe sollen
  • sich über die Arbeitsweise der Seelsorge informieren können, damit sie sehen, welche Kooperationsmöglichkeiten es gibt.
  • verstehen, dass sie im Prinzip allen Patienten den Besuch der Fachseelsorge anbieten können, weil Seelsorgende auf die verschiedensten Formen der Sinnsuche von Menschen eingehen können und nicht auf das Repertoire ihrer eigenen Religion festgelegt sind.
  • sich bewusst sein, dass es darüber hinaus professionelle Seelsorge braucht, die auf spezifische Weise spirituelle und religiöse Ressourcen erschließen kann.
  1. Palliativ- und Hospizseelsorger sollen
  • verstehen, dass es Aufgabe heutiger Seelsorge ist, auch Menschen spirituell zu unterstützen, bei denen man nicht auf einem religiösen Hintergrund aufbauen kann.
  • verstehen, dass es Methoden gibt, die es gestatten, mit der spirituellen Dimension in Beziehung zu kommen.
  • verstehen, dass es möglich ist, mit Patienten über ihre Alltagsspiritualität hinaus „Spiritualität höherer Ordnung“ zu erschließen
  • verstehen, dass heutige Seelsorge neben der spirituellen auch die Aufgabe einer „rituellen Diakonie“ hat.
  • verstehen, was ihr Beitrag im multiprofessionellen Team für die Schwerkranken, aber auch für das Team selbst sein kann.

Schlüsselwörter:

Geschichte der Krankenseelsorge, Seelsorge im weiteren Sinn, „Seele“, existenzielle Themen, Spiritualität höherer Ordnung, spirituelle Diakonie, Lebensabrundung, das Heilige, religiöse Rituale („Riten“), Mitarbeit im Team, Schweigepflicht, Dokumentation, interreligiöse Präsenz, Ethik.

Motto: Gespräche mit dem Seelsorger helfen nicht besser. Aber anders.

Vorbemerkung:

Dieser Beitrag zur Seelsorge im palliativen und hospizlichen Kontext hat eine doppelte Perspektive. Die erste: Er soll für alle in der Palliativarbeit Tätigen transparent machen, wie Seelsorge arbeitet, wofür sie gut ist und damit, auf welche Kompetenzen sie zurückgreifen können, wenn sie mit der Seelsorge zusammen arbeiten. Die zweite: Die Begleitung Sterbender ist zwar schon immer eine Grundaufgabe der Seelsorge. Die palliative Versorgung in der strukturierten Form gibt es aber erst seit etwas mehr als zwei Jahrzehnten – und sie ist immer noch in Entwicklung. Es ist daher wichtig, dass sich die Seelsorge im Konzert der anderen Professionen und auf dem Hintergrund sich wandelnder gesellschaftlicher Bedingungen ihrer selbst vergewissert und sich auf die jeweils neuen Herausforderungen einstellt. – Es soll daher nicht nur die organisatorische und formale Frage der Einbindung der Seelsorge in die Palliativstruktur, sondern auch ihr Selbstverständnis inhaltlich umrissen werden. – Es kann hier allerdings nicht darum gehen, das ganze seit Jahrzehnten bewährte Verhaltens- und Methodenrepertoire der neueren Klinik-Seelsorge darzustellen. (s. vor allem: Klessmann, 1996; Nauer, 2001; Nauer, 2007) Sehr wohl soll im Folgenden erörtert werden, wie sich Seelsorge in der Postmoderne – besonders im palliativen Feld – verstehen muss und zugleich in welche Richtung sie weiterzudenken ist.

Die Seelsorge gehört zu den klassischen Disziplinen der Kranken- und Sterbebegleitung. Das scheint völlig plausibel, geht es doch am Ende des Lebens um „letzte“ Fragen und Themen schlechthin. Aber ist die Begleitung Schwerkranker gerade durch die Seelsorge noch so selbstverständlich? Die herkömmliche Seelsorge steht im Auftrag der christlichen Kirchen. Ist nicht deren Aufgabe allein die Begleitung von Patienten, die ausdrücklich religiöse Bedürfnisse äußern und zu einer Kirche gehören? Die Palliative Care versteht es als Aufgabe aller Helfer, Patienten aller Couleur, also auch nichtkirchliche und religiös ungebundene spirituell zu begleiten. (s. Kap. ) Muss daher nicht „spiritual care“ die „religious care“ ablösen? – Der folgende Beitrag versucht zu zeigen, dass kirchliche Seelsorge in den letzten Jahrzehnten eine erhebliche Entwicklung gemacht hat und zu einer Profession geworden ist, die gerade im Palliativkontext einen spezifischen Beitrag in der Unterstützung Schwerkranker und ihrer Angehörigen und darüber hinaus aller mit der Begleitung und Behandlung Befasster leisten kann.

1 Zum Selbstverständnis heutiger Seelsorge

1.1 Wie kam es zur derzeitigen Krankenseelsorge?

Es ist hilfreich, diese Entwicklung in einer kleinen Skizze nachzuzeichnen.

Über eine lange Zeit der Menschheitsgeschichte gab es kaum eine Medizin, die schwere Krankheiten verhindern oder aufhalten und den Tod hinausschieben konnte. Die Hauptunterstützung bei Krankheit und Sterben bot die Religion mit ihrer Schicksals- und Weltdeutung. Eine eigene Seelsorge brauchte es nicht; das Leiden und Sterben wurde durch die Zugehörigkeit zu dieser Religion und deren Rituale aufgefangen und getragen. Die eigentliche Begleitung geschah in der Regel durch die soziale und religiöse „Gemeinde“, die Angehörigen und Nachbarn – und in besonderen Fällen durch Hospize und karitative Einrichtungen. Die Religionsvertreter wurden erst beim eigentlichen Sterben gerufen. Sie sorgten mit ihren Gebeten, tröstenden Worten und Ritualen dafür, dass der Sterbende gut aus dieser Welt hinaus- und in die Ewigkeit Gottes hinübergehen konnte. Im Lauf der Neuzeit, erst recht aber im 20. Jahrhundert, kam es zu einer tiefgreifenden Veränderung: Die Medizin entwickelte ein vorher nicht vorstellbares Arsenal gegen viele Krankheiten. Dadurch entstand der Eindruck, es brauche für Kranke nur noch Medizin. Zudem mussten die Menschen ins Krankenhaus verlegt werden, weil die medizinische und pflegerische Versorgung so am sichersten und effektivsten gewährleistet werden konnte. Die traditionelle Methode der Religion wurde allmählich überflüssig. Das ist die Zeit der „Medizin der Moderne“ (Walter, 1994). Man glaubte, alle Fragen und Bedrohungen des Lebens ließen sich naturwissenschaftlich und technisch auflösen – dafür bedürfe es keiner höheren Weisheit und keiner Religion.

„Körper ohne Seele“?

Mit dem Erstarken der Medizin hat sich die Religion immer mehr auf das jenseitige Heil verlegt. Das Körperliche behandelte ja die Medizin; die Religion nahm nur die „Seele ohne Körper“ in den Blick. Sie ignorierte damit auch den Sterbeprozess, denn der gehörte zum Körperlichen. Parallel dazu behandelte die Medizin den „Körper ohne Seele“ – und damit auch ohne das Sterben als Prozess. Sie behandelte Krankheiten, konnte aber mit dem Erleben der Sterbenden nichts mehr anfangen. So gingen Medizin und Religion am Menschen mit seinem Empfinden und seinen Gefühlen zunehmend vorbei. Das Gesamterleben der kranken Menschen war auseinandergerissen in eine rational und instrumentell machbare und eine jenseitige Dimension. Das reale Empfinden und Erleiden des Menschen wurde zu seinem Privatproblem.

Das Bindeglied: die Psyche

Ende der 1960iger Jahre begann durch die Arbeiten von Elisabeth Kübler-Ross („Interviews mit Sterbenden“ 1969) eine neue Entwicklung. Das innere Erleben der Sterbenden wurde zunehmend in den Blick gerückt. Hier kam es zur ersten großen Herausforderung für die Seelsorge: Sie erkannte, dass man Seelsorge nicht an der Psyche des Menschen vorbei machten konnte. Die „Seele“ galt traditionell als überirdisch. Mit der psychologischen Aufklärung aber wurde klar, dass die „Seele“ nicht ohne „Psyche“ mit all ihrem irdischen Erleben gedacht und nicht erreicht werden kann. Seelsorge hat sich daher zunehmend dem Leiderleben der Menschen zugewandt. Im Verlauf der 60iger Jahre kam es parallel dazu zu einer „empirischen Wende“ in der Theologie. Kirchliche Betreuung wandelte sich von einer eher dogmatisch- verkündigenden (evangelisch) oder sakramental-versorgenden (katholisch) zu einer beratenden Seelsorge. Im Gefolge des Psychobooms dieser Zeit orientierte sie sich wesentlich an humanwissenschaftlichen und psychotherapeutischen Erkenntnissen und Methoden. Diese beförderten das neue Anliegen der Seelsorge, bei der seelischen und psychosomatischen Heilung mitwirken zu können. Seelsorge geriet damit in die Gefahr, ihr ureigenes Sinnpotenzial durch eine rein psychologische Sichtweise zu ersetzen bzw. es zu vergessen. Inzwischen sind jedoch therapeutische und beratende Methoden so in die Sicht- und Arbeitsweise der Seelsorge integriert, dass sie zu einer erheblichen Vertiefung und zur Qualität dieser Profession beitragen und daraus nicht mehr wegzudenken sind.

Seelsorge in einer multispirituellen Landschaft

In den letzten Jahrzehnten kam es auch dank der Hospiz- und Palliativbewegung zu einer weiteren Herausforderung für die seelsorgliche Aufgabe, im Prinzip alle Menschen, unabhängig von ihrer weltanschaulichen Ausrichtung, bei Krankheit und Sterben zu begleiten. „Ich war krank und ihr habt mich besucht“, so lautet schließlich der Grundauftrag Jesu an die christliche Gemeinde – und mit den zu Besuchenden sind nicht nur Menschen mit einem bestimmten Glauben gemeint. Noch bis in die 50iger Jahre des letzten Jahrhunderts war das Sterben weitgehend von einem religiösen Gesamterleben getragen. Inzwischen aber hat sich die religiöse und weltanschauliche Szene erheblich verändert. Die westliche Gesellschaft entwickelt sich zunehmend in eine multireligiöse, multikulturelle und multispirituelle. Das früher christlich geordnete Weltbild wird von der Wirklichkeit der Einstellungen der Menschen überholt. Der Mensch der Moderne muss sozusagen „nackt“ sterben – ohne die „Kleider“, die Menschen früherer Zeiten eingehüllt und gewärmt haben: ohne gemeinsam geteilte Vorstellungen von Leben und Tod (und zudem oft ohne familiäre und gemeindliche Einbettung). Viele Menschen sterben heute nicht mehr gottergeben und nicht mehr so viele haben den Glauben ihrer Vorfahren zur Hilfe. Die Bindung an die herkömmliche Religion löst sich langsam auf.

Das heißt jedoch nicht, dass gerade Schwerkranke nicht nach Sinngebung suchen würden, die sie einerseits mit ihrem tiefen inneren Selbst und andererseits mit „etwas Höherem“, Wichtigen, irgendeinem höheren Sinn in Verbindung bringen. Eine Studie (Plüss, Schenker, 2002) hat ergeben, dass 94% der Befragten die Spitalseelsorge für wichtig halten, 75% sogar für sehr wichtig. Maßgebliche Anforderung ist dabei: Toleranz und Offenheit. Gerade durch ihre Einbindung in die Palliativstruktur kommt Seelsorge mit immer mehr Menschen in Beziehung, die keinem religiösen System angehören, zu deren Menschsein aber die spirituelle Dimension gehört. (s. Kap. in diesem Buch) Seelsorge musste (und muss noch) lernen, dass ihr nicht nur die religiös-kirchliche, sondern zunehmend auch die spirituelle Begleitung im weiteren Sinn aufgegeben ist. Denn alle Menschen haben es verdient, in ihrer Spiritualität ernstgenommen und begleitet zu werden. Den großen Glaubensgemeinschaften ist es gestattet, ihren Begleitungsdienst im Prinzip allen Menschen in Altenheim, Krankenhaus, Hospiz, Palliativstation anzubieten. Die kirchliche Seelsorge muss sich daher auch in dem breiten Spektrum zwischen der Hochform der Religion und den Alltagseinstellungen der Zeitgenossen aufhalten können. Patienten und Angehörige kommen ja zu allererst wegen der Medizin und der Pflege in eine Einrichtung des Gesundheitswesens. Seelsorge kann daher bei ihren Besuchen zunächst von keinem religiös-kirchlichen Kontrakt ausgehen. Sie muss begegnungsoffen und begegnungswillig für alle möglichen Formen der Sinnsuche von Menschen sein und herausfinden, zu welchem Kontrakt mit dem Patienten und vom Patienten her sich ihr Begegnungsangebot entwickelt.

1.2. Der Auftrag der heutigen Seelsorge

Auf dem Hintergrund der heutigen Entwicklung muss kirchliche Seelsorge daher zweierlei leisten.

Ersten muss sie sich konstruktiv und nicht defensiv mit dem Phänomen „Spiritualität“ auseinandersetzen (zur Begriffsklärung s. Kapitel … ). Sie muss die spirituelle Dimension als innerstes Lebens- und Weltverständnis eines Menschen, als seinen inneren „Geist“ sehen, aus dem heraus er sich versteht, er sein Leben bewusst oder nicht bewusst gestaltet und mit dem er auch in Krankheit und Sterben hineingeht.

Zum Zweiten: Wenn sie Menschen auch jenseits vertrauter religiöser Zugehörigkeiten begleiten und ihre Arbeit als „spiritual care“ verstehen will, dann muss sie ihr Methodenrepertoire erweitern und Menschen so begegnen wie diese sich mit ihrer je eigenen Spiritualität darstellen. Sie muss also fähig sein, ganz verschiedene Wege der Sinngebung und Einstellung von Menschen zu begleiten.

Im Folgenden soll nicht die Arbeitsweise der Krankenhausseelsorge dargestellt werden, wie sie sich seit Jahrzehnten bewährt hat. Vielmehr soll es darum gehen, auf dem Hintergrund der heutigen religiös-spirituellen Landschaft ihr Spezifisches in der Begleitung Schwerkranker deutlicher herauszuarbeiten.

„Seelsorge“ – machen das nicht alle?

Ist nicht die „Sorge für die Seele“ Aufgabe aller patientennahen Professionen? Spiritual care wird doch inzwischen von allen Berufen gefordert. Auch die psychosoziale Begleitung, die oft als Hauptaufgabe der Seelsorge gesehen und ihr besonders angetragen wird, gehört zu den Aufgaben aller Berufe. Was ist dann das Spezifische der Seelsorge?

Zunächst: In der Tat haben alle patientenbezogenen Tätigkeiten eine seelsorgliche Qualität, nicht nur die der Repräsentanten der Kirchen, die als Seelsorger und Seelsorgerinnen tätig sind. Die Behandler berühren ja nicht nur die Außenseite des Kranken. Alle Handlungen der Mediziner, Pflegenden, Physiotherapeuten, Sozialarbeiter, Besucher berühren mit der „Außenseite“ des Menschen zugleich auch dessen Innerstes. Was dem Körper des Patienten (medizinisch, pflegerisch), den sozialen Verhältnissen, seiner emotionalen und mentalen Welt gut tut, das tut auch der „Seele“ gut. –

Was unter Seele zu verstehen ist

Mit dem Symbolwort „Seele“ ist nicht einfach eine abgehobene, weltferne Idee gemeint, die nur in die Welt der Religion gehört. Mit „Seele“ ist aber auch mehr gemeint als die mentalen (Geist) und psychischen (erforschbare emotionale und Verhaltens-Phänomene) Fähigkeiten eines Menschen. (Eine detailliertere Diskussion s. Weiher, 2008). Unter „Seele“ verstehe ich den unverwechselbaren Kern eines Menschen, das „Organ“, mit dem er sein Selbstsein empfinden und sich als Subjekt erfahren kann. Zudem ist die Seele der Resonanzraum, in dem der Mensch Sinn empfängt und spirituelle Erfahrung machen kann.

Weil Leib, Psyche, Geist und Seele eine Einheit bilden, gilt die Sorge aller Helfer implizit auch der Seele. Auch wenn der Arzt den Patienten in seiner Körperlichkeit behandelt, übt er zwar seine Fachdisziplin aus, aber dies gilt natürlich dem Menschen als ganzem. Wenn die anderen Professionen sich über die fachmethodische Seite hinaus dem Patienten qualifiziert zuwenden, ihn mit seinen Gefühlen und seinem Erleben ernst nehmen, dann ist das Leib- und Seel-Sorge zugleich. – Gerade auch die „nur“ behandelnden Berufe sollten sich bewusst machen, dass der Mensch vor ihnen mit einer Seele ausgestattet ist. Es gehört zu einer „Sorge für die Seele“ in einem unspezifischen Sinn, die Anwesenheit der Seele in diesem Menschen mit zu bedenken und sie beim Behandeln mit-zu-berühren. Wenn der Patient spürt, dass er so wahrgenommen wird, dann kann er bis in seine Seele hinein aufatmen und sich eher seiner Lebenssituation und einer Behandlung stellen.

1.3. Zum Profil der Fachseelsorge

Selbstverständlich ist die psychosoziale Kompetenz mit guter Kommunikation und Empathie eine Basisqualifikation auch für die berufliche Seelsorge. Auch das Spirituelle und Religiöse ist nicht losgelöst vom Psychosozialen zu erreichen. Die Sprache der Seele kann man nicht verstehen ohne die physische, die psychische und soziale Seite am Menschen. Der Kranke wird auch nichts von seinem Innersten öffnen, wenn er sich nicht als Mensch verstanden fühlt mit all dem, was ihn beschäftigt, belastet oder freut. – So gesehen geht Seelsorge in einer ersten Hinsicht zu Patienten einfach weil sie Menschen sind; sie hat – anders als die therapeutischen Berufe – keine Diagnose- oder Behandlungsabsicht. Insofern beginnt Seelsorge oft ganz unspezifisch und alltäglich. Und sie bleibt eventuell auch eine unspezifische Begegnung von Mensch zu Mensch, wenn sich der Patient nicht tiefer einlassen sondern „nur“ sein alltägliches Erleben zur Sprache bringen und damit verstanden werden und nicht einsam bleiben will. Seelsorge geht davon aus, dass es nicht unbedingt „tiefere“ und explizit spirituelle Gespräche sein müssen, damit Menschen mit ihrer Seele mehr in Kontakt kommen und als Personen so gestärkt werden, dass sie mit ihrer Situation besser umgehen können. Auch bei anderen Berufen können Patienten Erfahrungen dieser Art machen.

Umgang mit existenziellen Themen

Im Kontext der Hospiz- und Palliativsituation bleibt es aber selten bei „alltäglichen“ Begegnungen. Dann rücken existenzielle Themen vom Hintergrund in den Vordergrund:

  • Fragen des Selbstwertes werden wach;
  • die bisherige Lebenserfahrung und -vorstellung wird berührt und erschüttert;
  • Fragen des gelingenden Lebens insgesamt werden gestellt;
  • Trauer über das nicht mehr Mögliche und die kommende Trennung von geliebten Menschen meldet sich;
  • die Frage, was von mir bleibt, wenn ich diese Welt verlassen muss und
  • die Frage, was die kommende Zeit bringt, was jetzt „Hoffnung“ heißt, was das alles mit mir macht und was mich dabei hält und trägt.

Existenzielle Fragen und Themen werden allerdings selten auf direktem Weg zur Sprache gebracht. Auch die vielgenannte Sinnfrage stellen Menschen selten direkt. Vielmehr begegnen dem Begleiter solche Themen bei ihren Patienten eingekleidet in ihre Ängste und Sorgen, ihre alltäglichen Lebenserzählungen und Identitätssymbole: „Ich kann noch nicht einmal mehr alleine auf die Toilette gehen.“, „Wir haben uns doch immer gesund ernährt.“, „In diesem Frühjahr bin ich zum ersten Mal nicht in meinem Weinberg.“ – Alle Berufe begegnen solchen Aussagen; und diese wollen nicht nur auf der Ebene des Faktischen oder der Gefühle gehört werden.

Auf der Spur der Spiritualität

Das Spezifische der Seelsorge ist dabei jedoch, dass sie ihre Aufmerksamkeit bewusst auf die in den Selbstbekundungen des Patienten eingewobene Spiritualität richtet. Sie geht der Spur zu dem „inneren Geist“ nach, der darin anklingt. Allerdings rückt Seelsorge nicht sofort die „Spiritualität an sich“, die religiöse Dimension „an sich“ in den Focus, sondern sie bleibt solange wie es dem Patienten wichtig ist, bei seiner „Alltagsspiritualität“. Zu dieser geht sie so in Resonanz, dass sie sich narrativ weiter entfalten kann.

Patienten aber suchen bei schwerer Krankheit und drohendem Tod nach tieferen Quellen und grundlegenden Bedeutungen. Seelsorge bleibt daher nicht bei den „normalen“ Quellen der Sicherheit, die das Leben bisher ausgemacht haben: bei der „Alltagsspiritualität“. Sie sieht ihre Aufgabe vielmehr darin, die Sehnsucht der Menschen (gerade auch wenn sie nicht religiös sind) „weiterzudenken“ auf das hin, wonach diese sich im Tiefsten sehnen. So sucht sie mit dem Patienten zusammen nach der „Spiritualität höherer Ordnung“. So wie man in der Ethikberatung nicht bei Werten erster Ordnung stehen bleibt. Ausschlaggebend für eine ethische Entscheidung sind Werte höherer Ordnung. Ebenso kann man von einer „Spiritualität erster Ordnung“ und einer „höherer Ordnung“ sprechen. Bei der Bewältigung von Krankheit und existenziellen Krisen hat letztere die größere Kraft und das größere Ressourcenpotenzial.

Kasuistik: Am Beispiel „Ich habe mich doch immer so gesund ernährt“, könnte das für einen Patienten, der keinen Bezug zum Religiösen hat, heißen: Was bisher das alltägliche Lebenskonzept begründet hat („So habe ich versucht, gesund zu bleiben“) ist jetzt erschüttert. Eine Einstellung höherer Ordnung kann sich ergeben, wenn man mit ihm nicht bei der Defiziterfahrung (Sie sind trotzdem krank geworden. Man kann nicht alles im Leben kontrollieren.) stehenbleibt. Vielmehr kann er im Gespräch mit dem spirituellen Begleiter darin zu einer Ressource finden: „Ich bin sorgsam mit meinem Leben umgegangen; ich kann dankbar sein für diese Zeit“ und mit dem Begleiter überlegen, was solche Sorgsamkeit im weiteren Umgang mit der Krankheit und mit sich selbst bedeutet.

Dieses Beispiel will keine Standard-Interpretation vermitteln, sondern nur illustrieren, wie sich Gespräche entwickeln können, wenn der Begleiter sich auf die Spur der Spiritualität begibt. Außerdem will es zeigen, dass es um mehr geht als um Gefühle: Es geht um die spirituelle Dimension: das bisherige Lebenskonzept fortschreiben und den Lebensentwurf darin vertieft verstehen.

Auch in ihrem religiösen Glauben verwurzelte Menschen schätzen es, wenn man mit ihnen nicht bei ihrem Heiligen erster Ordnung („Ich gehe jeden Sonntag in die Kirche, aber zur Zeit kann ich es nicht…“) stehen bleibt, sondern mit ihnen auch in ihren anderen – zunächst nicht unmittelbar religiösen – Lebenssymbolen (Familie, Hobby, Naturverbundenheit, Kunst, Beruf, Lebensweisheiten, bedeutsamen Ereignissen usw.) die Spiritualität höherer Ordnung erkundet und diese dann im Horizont des religiösen Glaubens eine größere Sinnweite und -tiefe erfährt.

Implizite Spiritualität

Im obigen Beispiel vom „Weinberg“ geht es nur auf dem ersten Blick um das aktuelle Getrenntsein oder Nichtkönnen, um die Erinnerung an viel Arbeit oder einen vertrauten Ort. Es geht auch nicht nur um Gefühlsäußerungen (Trauer, Wehmut, Angst, Enttäuschung, Hoffnung). Vielmehr symbolisiert der Patient damit, was sein Leben sinnvoll gemacht hat (neben anderem natürlich). Dabei wird nicht nur Vergangenes erinnert, sondern etwas von der Essenz seines Lebens aufgerufen: z.B. die Erfahrung von Erfüllung und Entbehrung, Gelingen und Misslingen, die Sorge um und für die Familie, die Erfahrung von Natur und Schöpfung, die Erfahrung von Dankbarkeit. Dies alles gehört zur Spiritualität eines Menschen, auch wenn er selbst das nicht mit dem Terminus „Spiritualität“ benennen würde. Hier erfährt er etwas vom „Heiligen“ des Lebens. Es kann ihm im Gespräch mit dem seelsorglichen Begleiter bewusst werden, wie sich das „große Heilige“ der Religion oder einer anderen Transzendenzvorstellung in seinem konkreten und alltäglichen Leben als Heiliges gezeigt hat. Wenn der Patient einen religiösen Hintergrund hat, kann sein „kleines“ Heiliges durch ein Gebet, ein Segens- oder Weisheitswort mit dem „großen“ Heiligen in Verbindung kommen und so von diesem her eine höchste Würdigung erfahren.

In einem vertieften Sinn lässt sich Spiritualität daher definieren als „Erfahrung, bei der sich ein Mensch mit dem Geheimnis des Lebens in Verbindung weiß“ (Andriessen, 1999).

Dafür aufmerksam zu sein, die spirituelle Erfahrung des Patienten behutsam zu erschließen und das Heilige darin zu berühren, gehört zur Kunst der Seelsorge. Seelsorge bietet hier „spirituelle Diakonie“ an, weil sie davon ausgeht, dass jeder Mensch – ob bewusst gläubig oder ganz ohne Religion – eine spirituelle Dimension in sich trägt. Seelsorge hilft Menschen, mit diesem innersten Lebensmotiv in Beziehung zu kommen und diese Ressource so zu stärken, dass sie ihr Schicksal besser tragen und tiefere Erfahrung damit machen können.

Der Zugang zur Spiritualität ist vergleichsweise einfach, wenn eine Person über ihre religiösen oder spirituellen Einstellungen Auskunft geben kann oder wenn ein frommes Bild oder Buch auf dem Nachttisch liegt. Aber ist das schon das „Heilige“ dieses Menschen? In der theologischen Literatur wird Spiritualität weithin als explizit angeeignetes und identifizierbares Lebenskonzept verstanden. Die Innenwelt eines Menschen ist jedoch zu komplex, als dass damit die spirituelle Dimension zureichend erfasst wäre. Seelsorge muss daher fähig sein, die spirituelle Eigensprache der Menschen zu verstehen, mit der sie ihren authentischen Lebens- und Erfahrungsreichtum zur Sprache bringen. Spiritualität findet sich in der Begegnungspraxis weit häufiger „implizit“, d. h. gekleidet in Alltagspoesie, als „explizit“, d.h. reflektiert und begrifflich benennbar.

Die Würde des Nichtgelungenen

Es ist wichtig zu bemerken, dass diese Art von spiritueller Kommunikation ihren Sinn nicht nur bei positiven Lebenssymbolen, sondern auch bei Defiziterfahrungen ihren Sinn hat. Denn alles Nichtgelungene, alle Nichterfüllung hat eine „Rückseite“, die eine Ressource enthält: Die Verbundenheit und die Liebe als Rückseite der Trauer; eine Sehnsucht als Rückseite einer „Frage“; die Kostbarkeit des (bisherigen oder erhofften) Lebens als Kehrseite der Angst; der Lebensentwurf, der nicht in Erfüllung ging und das stattdessen (oder trotzdem) gelebte Leben – die Lebensleistung, die gerade darin steckt.

Spiritual Care achtet besonders auch das Fragmenthafte, das Unversöhnte, die Trauer. Diese haben im Sinn der Logik der Spiritualität auch ihre Würde.

Seelsorge sieht also in allen Lebenserzählungen, aber auch schon in Gefühls- und Befindlichkeitsaussagen von Patienten und Angehörigen – auch in vorwiegend unangenehm und negativ erscheinenden Äußerungen – etwas vom Heiligen dieser Menschen. Dieses gilt es wach zu machen und als Ressource in die Auseinandersetzung mit Krankheit und Sterben einzubeziehen.

Wenn hier die spezifische Aufgabe der Seelsorge als „sich auf die Spur der Spiritualität von Menschen begeben“ beschrieben wird, dann bedeutet das also keineswegs, die anderen Dimensionen (das Leibliche, das Psychische, das Soziale und Mentale) außer Acht zu lassen. Denn in diesen bewegen sich die Selbstaussagen der Kranken. Die Dimensionen sind miteinander verschränkt und wirken aufeinander ein. Seelsorge heißt auf diesem Hintergrund, sich dem Menschen in seiner Ganzheit, in all seinen Lebensbezügen zuzuwenden. In all dem, was er erlebt, achtet sie aber auf das ganz persönlich Bedeutsame, auf die Spiritualität, den „Geist“ in all dem und begleitet diese Dimension – natürlich immer in Bezug auf das Gesamtempfinden, -erleiden und -ersehnen.

Spiritualität als Hilfe im Sterben

Auf diese Weise dient Seelsorge mit ihrer spirituellen Kommunikation auch der Lebensabrundung, der Würdigung der Lebensleistung, auch wenn diese durch widrige Umstände und schmerzhafte Erfahrungen zustande kam. – Wenn heute zunehmend weniger Menschen die Perspektive einer überweltlichen Transzendenz haben, dann bietet sich eine andere Perspektive an, die in der heutigen Szene hilfreich ist und die nicht unbedingt in die religiöse Sicht einmünden muss. Menschen sterben „leichter“ das heißt getrösteter „in der Kraft der angeeigneten Lebensspanne“ (Petzold 1984). Die oben beschriebene Methode der Erschließung von Spiritualität gestattet es, das Leben „symbolisch“ (und das heißt „wirklich“) einzuholen und zu verdichten. Auf diese Weise können sich Sterbende am „Seil“ ihrer ureigenen spirituellen Ressourcen in die Tiefe, in das Geheimnis des Sterbens hinablassen. Sie müssen dann nicht sozusagen „nackt“ sterben; sie sind dann vielmehr „bekleidet“ mit ihrem gelebten Leben. Das Sterben bedeutet zwar die Trennung und den Abschied von Beziehungen. Zugleich aber dürfen sie in der Kraft der Beziehungen bleiben, die sie mit-belebt und mit-beliebt haben und können davon beseelt sterben. Durch die spirituelle Interpretation bekommen die Lebens- und Beziehungsgeschichten eine höhere Verdichtung und werden wesentlicher.

Das spezifische Profil der Seelsorge

Zur Kunst der Seelsorge gehört es also einerseits, vielfältig anschlussfähig zu sein und sich um der Patienten willen auf deren je eigene Spiritualität einzulassen und sorgfältig damit umzugehen. Andererseits jedoch bringt Seelsorge, wenn sie sich bei Patienten und Angehörigen vorstellt, immer auch den Horizont ihrer Religion mit. Sie wird von den Besuchten natürlich mit „Kirche“ und „Gott“ identifiziert – und es wäre unlauter, nicht dafür zu stehen und dieser Übertragungsmöglichkeit auszuweichen.

Hier verdichtet sich die Frage nach dem spezifischen Profil der Seelsorge: Sie steht für ein „Mehr“, für ein „Über-den-Tod-hinaus“. Sie bringt mit ihrem Kommen transzendente Sinnräume mit in die Beziehung. Man bekommt es bei ihr mit dem „irgendwie Heiligen“ und einen „irgendwie Transzendenten“ zu tun; die spirituelle Dimension ist im Hintergrund mit dabei, der religiöse Horizont rückt in den Blick.

Diesem Horizont letztlich vertraut sich der Patient mit seinen Lebenserzählungen, seinen Hoffnungen und Ängsten an, wenn er sich auf eine Beziehung zur Seelsorge einlässt. Der Patient nützt explizit oder implizit die Rolle der Seelsorge, um mit einer höheren Dimension auf seine Weise in Beziehung zu kommen. Von diesem Horizont, nicht von der Privatperson des Seelsorgers erhofft er sich letzten Halt und höchsten Sinn. Auf dem Hintergrund des Heiligen erfährt er eine höchste Würdigung und Bedeutsamkeit seines gelebten Lebens. Letztlich tröstet also nicht die individuelle Person des Seelsorgenden oder dessen Methoden, sondern der spirituell transzendente Horizont, den dieser mit in die Beziehung hineinbringt und aus dem sich der Patient Trost „holt“.

Das ist im eigentlichen Sinn das Besondere der Seelsorge – im Unterschied zu den anderen versorgenden und begleitenden Berufen – ,dass sie die Dimension des Heiligen aktiviert, in dessen Horizont, die Lebens-, Leidens-, Liebes- und Sterbegeschichte(n) des Menschen eine höchstmögliche – eben eine heilige – Bedeutung bekommen.

Religion erweitert den Sinnhorizont

Bisher war eher von der Seelsorge als spiritueller Begleitung in einem sehr weiten und eher unspezifischen Sinn, von „spiritual care“ die Rede. Dies geschah auf dem Hintergrund der heutigen Szene, in der sich viele Menschen eher als spirituell denn religiös verstehen.

Zum Profil der Seelsorge gehört aber auch ihr Hintergrund an Überzeugungen und Transzendenzbeziehungen, die in Symbolen, Weisheitsworten und Gebeten, Lebens- und Gottesbildern ihren Ausdruck gefunden haben und überliefert sind. Das Potenzial an Glaubens- und Sinnmöglichkeiten muss ein Seelsorger zwar persönlich übermitteln und in der konkreten Situation anbieten. Aber er greift dabei letztlich nicht auf seine privaten Überzeugungen zurück. Er schöpft vielmehr aus den Quellen der Glaubensgemeinschaft, die eine vieltausendjährige Geschichte haben und von einer riesigen Zahl von Menschen in Leben und Sterben durchlebt wurden und sich als glaubwürdig und haltgebend erwiesen haben. Es ist hier nicht der Ort, diese Glaubensinhalte weiter zu entfalten. Hierzu gibt es einen reichen Fundus an theologischer und spiritueller Literatur.

Seelsorge bietet „Sinn“ nicht direkt an („Ihr Sterben hat den Sinn…“).

Auch Religion formuliert Sinn selten direkt. Sie tut das eher in Form von „Bildern“, Erzählungen, Gebeten und Ritualen. Ihre Aussagen sind eher als Symbol- und Weisheitsworte denn als wissenschaftliche oder dogmatische Sätze zu verstehen. Auch die Religionsvertreter „flößen“ Sinn nicht wie ein Medikament ein. Vielmehr sagen sie „nur“ den Sinn weiter, den sie vermittelt durch Glaubenszeugnisse aus der transzendenten Sphäre zugesagt bekommen haben. Sie „glauben“ Sinn, ohne ihn konkret einlösen zu können.

Es gehört zur Kunst der Seelsorge, mit der impliziten, bisweilen auch expliziten Spiritualität der Patienten in Resonanz zu gehen und in der Situation zu entscheiden, ob hier der explizite Glaube im Hintergrund bleibt oder wieweit hier eine ausdrückliche Glaubenskommunikation angemessen ist . Dabei haben aber die Erfahrungen des Patienten und seine Sinngeschichten Vorrang. Denn diese hat er durchlebt und durchlitten, die sind mit seiner Glaubensgestalt verwoben.

Es ist Aufgabe und zugleich Kunst der Seelsorge, nicht an diesen persönlichen Sinnkonstrukten vorbei ihre Botschaft zu verkünden, sondern an der Erfahrung der Menschen anzuknüpfen und diese im Licht des Glaubens zu deuten und von daher tiefer zu verstehen. Dann bekommt der persönliche Sinnhorizont eine größere Weite und Tiefe und eine Bedeutung im Horizont der großen Transzendenz, in Gottes Welttheater. – Exemplarisch für solches Vorgehen stehen in der christlichen Tradition die Emmausgeschichte im Neuen Testament ( Lk 24) und die „Methode“ der Gleichniserzählungen Jesu.

Seelsorge wird auch bei Patienten mit einer wenig strukturierten Spiritualität, wenn sie sich auf eine Beziehung einlassen, ihr Sinnrepertoire und ihren authentischen Glauben anbieten und einen Menschen zu einem bewusst spirituellen Blick auf seine Lebens,- Krankheits- und Sterbegeschichte anregen.

Auch viele mit dem Glaubensrepertoire unvertraute Menschen schätzen es überraschenderweise, wenn Seelsorgende ihre Glaubens- und Hoffnungsperspektive aus dem Schatz der Überzeugungen ihrer Religion anbieten und damit zu „denken“ geben.

Im Übrigen macht man in der Seelsorge mit Menschen am Lebensende eine bemerkenswerte Erfahrung. Wenn man sie danach fragt, wie sie sich ein „Danach“ vorstellen, dann haben viele – auch nichtreligiöse – Menschen in säkularen Zeiten durchaus heilvolle, letztlich „transzendente“ Bilder.

Es braucht geschulte Kompetenz

In der Begleitung von Schwerkranken kommen natürlich auch weitergehende Fragen und Themen zur Sprache wie: negative Bewertungen des eigenen Lebens, schuldig geworden zu sein, die Warum-Frage, Sinn- und Hoffnungslosigkeit, „Ich kann nicht mehr beten“, „Dieser Krebs ist sicher eine Strafe Gottes“, nicht sterben zu können, weil man die Lebensaufgabe noch nicht erfüllt hat… . Bei solchen Themen braucht es Begleiter mit einer geschulten hermeneutischen Kompetenz. Seelsorge wird dann eher selten in eine theologische Diskussion oder Belehrung einsteigen oder ein religiös-spirituelles Gegenprogramm entwerfen. Wie bei anderen Lebensfragen auch wird Seelsorge die Motive und die Bedeutung solcher Fragen mit dem Patienten zusammen zu verstehen suchen. Und dann einschätzen, was dieser jetzt braucht: ob ein stilles Mittragen oder ob hier – wie oben beschrieben – ein „Nest“ aus der spirituellen Ernte des eingeholten Lebens gebaut werden will oder ob das „Nest“ die Kraft des religiösen Glaubens ist, die hilft, auch ohne Antwort mit dem Unauflösbaren zu leben und nicht zu verzweifeln.

Natürlich müssen seelsorgliche Begleiter auch darauf achten, ob eine spirituelle oder religiöse Einstellung eher eine hilfreiche Ressource oder eher ein Belastungsfaktor bei der Bewältigung von Krankheit und Sterben ist. Der Begleiter muss einschätzen, ob es sinnvoll ist, auch belastende Überzeugungen – eventuell in den letzten Lebenstagen noch – in Frage zu stellen oder ob es besser ist, die Deutungen des Patienten gelten zu lassen. Eine in der Augen des Professionellen vielleicht problematische Deutung ist für den Patienten als hilfreich anzusehen, solange er selbst nicht darunter leidet und er nicht andere Deutungen sucht.

Spirituelle Unterstützung der Angehörigen

Im Palliativkonzept der WHO werden ausdrücklich auch die Angehörigen in den Focus der Begleitung gerückt. Schließlich sind sie nicht nur Unterstützer ihres kranken Familienmitglieds, sondern von dessen Krankheit Mitbetroffene. Sie gehen auch durch eine Trauerzeit, aber auf ihren eigenen Wegen. Trauer beginnt ja nicht erst beim Eintritt des Todes, sondern bereits in der Zeit unheilbarer Krankheit, und sie reicht natürlich weit über die Todeszeit hinaus. – Seelsorge wird in ihren Begleitungen immer auch die Angehörigen mit einbeziehen und sie in deren eigener Begleitarbeit unterstützen. Wie auch bei der Begleitung des Schwerkranken wird Seelsorge auf die implizite wie explizite Spiritualität der nächsten Angehörigen achten und diese als Ressource „wacher machen“. Durch den nahen Tod kommen oft Themen und Gedanken zur Sprache, die man sich noch nie vorher gesagt hat. Hier kann die Spiritualität in der Beziehung (z.B. in Form der ausgedrückten Liebe) an Tiefe gewinnen und als Erinnerung zu einer wichtigen Hilfe in der späteren Trauerzeit werden.

Eine gute seelsorgliche Begleitung vor dem Tod ist eine nicht zu unterschätzende Unterstützung für die Zeit nach dem Tod. Auch beim Aussegnungsritual der Seelsorge können die Angehörigen tiefe spirituelle Erfahrungen machen, die zu einer Quelle und damit zu einem spirituellen „Trittstein“ (Smeding, 2005 S. 153) in der Trauer nach dem Tod werden.

Das Palliativkonzept fordert über diese indirekte Trauer-Vorsorge hinaus aber auch eine Trauer-Nachsorge, die durch Rituale, Gedenkgottesdienste und Treffen nach dem Tod gestaltet werden kann.

Der Sinn seelsorglicher Rituale

Ein wesentliches Medium seelsorglicher Begleitung sind also auch Rituale und symbolische Handlungen. Gerade im Hospiz- und Palliativkontext werden die nichtseelsorglichen Helfer Zeugen, Kooperationspartner und Vermittler bei den Ritualhandlungen der Religionen. Seelsorge ist Teil des versorgenden Teams. Weil sie ihr Angebot an im Prinzip alle Patienten und Angehörigen richtet, wird ihre Ritualkompetenz verschärft herausgefordert. Schließlich muss sie den Situationen schwerer Krankheit und des eintretenden Todes in der heutigen pluralen spirituellen Szene angemessen begegnen. Die anderen Berufe erwarten hier zu recht eine hohe Qualität und nicht nur eine formale „Durchführung“ des Rituals (wie es manchmal bei von „außen“ kommenden und herbeigerufenen Seelsorgern noch zu beobachten ist).

Übergänge im Lebensstatus eines Menschen z.B. der vom Kranken in einen Palliativpatienten, der vom Kranken in einen Sterbenden, der vom Sterbenden in einen Verstorbenen und der jeweils mitbetroffenen Angehörigen – all diese Übergänge rufen nach einer „Begehung“, nicht nach erklärenden Worten oder rationalen Sinngebungen. Krisenhafte Erfahrungen haben ihr Unsagbares und oft Unauflösbares – und doch müssen sie nicht banal und sinnlos bleiben.

Rituale „sagen“ auf symbolische Weise etwas Bedeutungsvolles, indem sie es „tun“. Religiöse Rituale („Riten“) vermitteln auch angesichts des Unsäglichen das Vertrauen in eine höhere Ordnung. Sie deuten das Geheimnis von Leben und Sterben als heiliges Geheimnis, als Mysterium, das trotz seiner Unverfügbarkeit aus dem Sinnraum Gottes nicht herausfällt, sondern dort aufgehoben und getragen ist.

Das für uns Menschen Unverfügbare und letztlich Unverständliche bekommt seine Bedeutung vom heiligen Gott selbst. Insofern tragen Rituale Sinn und Hoffnung. Auch das Ungetröstete hat seine Würde: Religion und Spiritualität – nicht die instrumentelle Logik des Gesundheitswesens – vermögen es mit dem Tod aufzunehmen, indem sie Abbrüche des Lebens nicht als Ende, sondern als Durchgänge in ein anderes Leben bei Gott erklären.

Angesichts des Unverfügbaren des Lebens auf dieser Welt bietet Seelsorge spirituelle Rituale allen Betroffenen an. Da ist sie einer „rituellen Diakonie“ (

Kardinal Carlo Martini) verpflichtet, d.h. einem Dienst an den Menschen, ohne dass diese religiös gebunden sein müssen. So lassen sich viele – auch nichtreligiöse – Angehörige auf der Palliativstation und im Hospiz darauf ein, dass nach dem Tod eine Verabschiedung, meist in Gestalt einer Aussegnung durch die Seelsorge stattfindet. Selbstverständlich müssen die Seelsorgenden dabei sensibel bleiben für die spirituellen Einstellungen und kulturellen Einbindungen der Betroffenen. Explizite Rituale verlangen eine hohe Aufmerksamkeit und Deutekompetenz. Im Anhang soll die Bedeutung einiger christlicher Rituale skizziert werden. Das geschieht auch, um den anderen Professionen etwas vom Sinn religiöser Rituale zu vermitteln, damit sie sie auch aus eigener Wertschätzung heraus den Patienten und Angehörigen vorschlagen können. Die nichtseelsorglichen Berufe und Begleiter können sich so vielleicht auch modellhaft in die Welt der Riten fremder Religionen einfühlen und sie wertschätzen. Diese vermitteln Schwerkranken und Sterbenden „ein Stück“ Heimat und kulturelle wie religiöse Einbettung. Das gibt dem Sterbenden und den Angehörigen eine eigene Art von Würde. (s. Anhang 1)

1.4. Eine Zwischenbilanz

Als Arbeitsweise der Seelsorge am Krankenbett wurden bisher vier grundsätzliche „Medien“ und Methoden vorgestellt:

  1. Das Basismedium ist die achtsame Zuwendung zu Patienten und Angehörigen. Grundvoraussetzung dafür ist die Beziehungsfähigkeit und -gestaltung der SeelsorgerInnen.
  2. Seelsorge spricht jedem Menschen eine spirituelle Innenseite zu. Sie geht so in Resonanz zu den Äußerungen und Lebenserzählungen eines Menschen, dass dessen eigene Spiritualität vertieft erschlossen und so zur Ressource in der Zeit von Krankheit, Sterben, Trauer werden kann. Erst wenn Seelsorgende sich auf die Seele des Patienten eingestimmt haben, werden sie explizit etwas vom Schatz der religiös-spirituellen Ressourcen anbieten.
  3. Seelsorge bringt durch ihre Rolle die Dimension des Heiligen mit in die Begegnung. Es ist bei weitem nicht nur die Privatperson des Seelsorgenden, sondern weit mehr die Dimension des Heiligen, die dem Patienten Gehalten-sein, Bedeutsamkeit und Trost vermittelt.
  4. Seelsorge begeht und segnet Leben, Krankheit, Sterben und Tod ausdrücklich mit den Zeichen, Riten und Sakramenten des Glaubens. Dabei bezieht sie die spirituelle Erfahrung der Betroffenen in das Ritual ein.

Das hier umrissene Seelsorgeverständnis gilt nicht nur für die christliche Seelsorge. Es versteht sich als Vorschlag und formale Methodik auch für die Arbeitsweise anderer Religionsgemeinschaften und spiritueller Versorger. In dem Dreischritt der achtsamen Begleitung, des Bedeutungsverstehens und des rituellen Begehens können sich auch Vertreter anderer Religionen einfügen. Sie werden dabei ihre Identität nicht verlieren, die Qualität ihrer Betreuung aber erhöhen. Andere geistliche Versorger geben auf dem Hintergrund ihres spirituellen Systems anders Resonanz auf die Äußerungen der Menschen. Die Übertragungskraft ihrer Rolle gilt grundsätzlich aber für jede seelsorgliche Rolle, auch wenn sie das „Heilige“ in je verschiedener Vorstellung enthält. Die Grundfunktionen des Rituellen sind für alle spirituellen Systeme gleich. Verschieden ist jeweils die inhaltliche Füllung der Rituale: jede Religion hat ihre eigenen Resonanzkörper, die Spiritualität in Aktion setzen. Die religiös-spirituellen Deutungen und die Inhalte der Rituale haben also ihre eigene Sprache, die ein Religionsfremder nicht einfach nachahmen kann. Es hängt schon an der Rolle und der Sprachwelt, ob und wie Spiritualität zur Wirkung kommt – ob sie am Menschen vorbeigeht oder ihn tröstet.

2. Seelsorge im multiprofessionellen Kontext

Im ersten Teil wurde sozusagen die Innenseite der Seelsorgearbeit dargestellt, ihre Methodik und ihre „Medien“ in der Begleitung von Patienten und Angehörigen. Seelsorge musste und muss neu herausarbeiten, was spirituelle und religiöse Betreuung unter nicht nur kirchlichen Bedingungen heißt.

In einem zweiten Teil soll es darum gehen, wie sich Seelsorge im multiprofessionellen Kontext versteht und was das für ihre organisationale Einbindung in die Gesamtversorgung bedeutet.

Nach der Konzeption der WHO von Palliative Care sind alle behandelnden Berufe sowohl für die psychosozialen wie für die spirituellen Bedürfnisse der Patienten zuständig. – Nach ihrem Neuaufbruch in den 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts hat die Seelsorge als Reaktion auf eine rein körper- und krankheitsbezogene Medizin die Begleitung des Menschen als Kranken – und nicht als Träger von zu behandelnden Krankheiten – zu ihrer Hauptaufgabe erklärt. Neben ihrer im engeren Sinn religiösen hat sie die emotionale und „soziale“ Betreuung übernommen. Zwar gehörte für die Pflege die ganzheitliche Sicht des Menschen immer zu ihrem Selbstverständnis. Sie konnte aber ihrem Anspruch in einer zunehmend arztzentrierten und auf messbare Effizienz getrimmten Welt kaum noch nachkommen. Durch die Entwicklung der Hospiz- und Palliatividee ist die Aufgabe der Seelsorge inzwischen aber nicht in erster Linie die psychosoziale Betreuung. In dieser Hinsicht ist sie nur ein Glied in der Kette.

Wie aber ist es mit der spirituellen Dimension?

Wenn auch die nichtseelsorglichen Berufe dafür zuständig sind, was bedeutet das dann für die professionelle Seelsorge? In Kapitel ( Nr. ) dieses Buches wurde umrissen, was spirituelle Begleitung für die anderen Berufe beinhaltet. Danach nehmen sie die Spiritualität nicht nur in Form von Haltung und Zuwendung wahr, sondern auch in der Art, wie sie auf die Identitätsaussagen und Lebenserzählungen ihrer Klienten eingehen, wie sie ihre beruflichen Rituale verstehen und letztlich auch die symbolische Seite ihrer Rolle nutzen. Auf diese Weise ist die Spiritualität in diesen Berufsrollen (in der Regel implizit) wahrgenommen und gut aufgehoben.

2.1. Seelsorge als eigene Profession

Die ausdrückliche spirituelle Unterstützung als Teil einer ganzheitlichen Begleitung erwarten die anderen Berufe und die Träger von Einrichtungen aber mehrheitlich immer noch von der kirchlichen Seelsorge und nicht von neutralen Spiritualitätskundlern. (vgl. Baumgartner et al.,2009) Die kirchliche Seelsorge wird wohl nicht nur deswegen geschätzt, weil ihre Mitarbeiter pastoraltheologisch gut ausgebildet sind, sondern noch mehr, weil diese die Tiefe des Heiligen und Absoluten repräsentieren und mit letzten Fragen und einem höchsten Sinn in Verbindung gebracht werden. Fachlich gesehen ist es nach wir vor die Seelsorge, die im expliziten Sinn die spirituelle Dimension inhaltlich „bedient“.

Ihr wird zugetraut, dass sie mit der spirituellen und nicht nur religiös klar definierten Dimension im Menschen hilfreich und verantwortlich umgehen kann. Zu ihrer spezifischen Kompetenz gehört es, explizit auf die Themen, Fragen und das spirituelle Leid Schwerkranker einzugehen und spirituelle Ressourcen herauszuarbeiten. In diesem Sinn ist Seelsorge Facharbeit, die von nicht Ausgebildeten nicht einfach übernommen und auch nicht geleistet werden kann.

Letztere machen zwar „Seelsorge im weiteren Sinn“, haben aber nicht die spezifische Übertragungskraft der geistlichen Rolle und die Befähigung geistlicher Versorger. Seelsorge vertritt ausdrücklich die Überzeugung, dass Krankheit, Sterben und Trauer nicht nur mit den Mitteln von Medizin, Pflege, Sozialarbeit, Psychologie und sozialer Betreuung, sondern auch mit den Medien der Seelsorge be- und verarbeitet werden können.

Zur Facharbeit der Seelsorge gehört auch ihre Kompetenz, qualifizierte Rituale anbieten zu können. Zudem gehört in den Kompetenzbereich der Fachseelsorge, das Verständnis von Spiritualität immer wieder zu reflektieren und auf seine anthropologische wie religionswissenschaftliche Stimmigkeit in einem anspruchsvollen und doch offenen Sinn zu überprüfen und weiterzuentwickeln.

2.2. Mitarbeit im Team

Es ist daher Aufgabe der Seelsorge, in der versorgenden Struktur (Palliativ-Team, Hospizdienst, SAPV) für die Beachtung der spirituellen Ebene aufmerksam zu sein und diese ihrerseits zu gewährleisten. Sie wird daher in Teamgesprächen, Fallbesprechungen sowie kleinen und größeren Fortbildungen (auch überregional, auch für Hausärzte) das Verständnis von Spiritualität und den Umgang mit dieser Dimension weitervermitteln und im multiprofessionellen Konzert vertreten. Sie wird darauf achten, wie im Team auf die Spiritualität der Patienten eingegangen wird und – meist indirekt – zu einem vertieften Verständnis von Spiritualität anhand der jeweiligen Situation beitragen. Das Ziel ist dabei, alle Mitarbeiter für die Art von spiritual care zu befähigen, die deren Rolle angemessen ist mit den Chancen aber auch Grenzen dieser Berufe.

Der Umgang mit Spiritualität braucht wie jede andere fachliche Tätigkeit eine sorgfältige Reflexion und eine verantwortungsvolle Anwendung. Es gilt, Patienten ja auch vor unerwünschter spiritueller Einflussnahme und vor Bekehrungsversuchen zu schützen.

Besondere Aufmerksamkeit braucht das spirituelle Thema im Hinblick auf die SAP-Versorgung. Da diese vorwiegend arztzentriert ist und die Felddynamik von der medizinischen Rolle bestimmt wird, müssen gerade diese Dienste verstehen, wie sich spirituelle – nicht nur explizit religiöse – Bedürfnisse zeigen, wie weit diese in ihrer Rolle zureichen aufgehoben sind und wo sie an die Seelsorge weiterdelegiert werden sollten. Hierfür müssen in konkreter Kooperation Standards erst noch erarbeitet und vertraut gemacht werden.

Es ist auch Aufgabe der Fachseelsorge, mit den anderen Mitarbeitern symbolische und rituelle Handlungen zu reflektieren. Nicht alle Betroffenen wollen z. B. Abschiedsrituale durch die Seelsorge. Hier sind die Nichtseelsorger gefragt, ihrer Rolle angemessene Rituale anbieten zu können.

Palliativseelsorge muss mit unterschiedlichen Disziplinen und Professionen zusammenarbeiten, deren Sprache und Feldkompetenz verstehen lernen und achten und zugleich ihre eigene Identität in verständlicher Form darstellen und vermitteln. Es muss jeweils deutlich werden, wie in Sachen Spiritualität oder psychosozialer Betreuung zu delegieren ist, was Schweigepflicht und Dokumentation (siehe unten) bedeuten, wo sich die beruflichen Profile überschneiden und wo ergänzen und wo der eine Dienst dem anderen eventuell Vortritt lassen muss (Psychoonkologie, Sozialarbeit, Physiotherapie, Musik- und Kunsttherapie etc.).

Bezüglich der Einbeziehung der Seelsorge im palliativen und hospizlichen Feld können hier nicht alle Formen (ambulant, stationär, konsiliarisch) berücksichtigt werden. Die folgenden Ausführungen haben den stationären Kontext vor Augen.

Für die Mitarbeit der Seelsorge im multiprofessionellen Team braucht es verbindliche und geregelte Kooperationsformen. Die Seelsorge muss sich ihrerseits an die Verfahrensweisen der verschiedenen Berufe halten und sich nicht als „multi“-Aspekt vieler unabhängiger Akteure verstehen, sondern zu einer interprofessionellen Struktur beitragen. Dann ist sie auch für die Patienten und Angehörigen nicht nur ein zufälliges und fachfremdes Angebot, sondern erkennbar zur Gesamtversorgung gehörend.

Begleitung von Team und Mitarbeitern

Nicht zuletzt versteht sich Seelsorge auch als Seelsorge für die Mitarbeiter und das Team (s. Beispiel einer Aufgabenbeschreibung in Anhang 2).

In einem gewissen Sinn vertritt Seelsorge die „Logik der Spiritualität“ auch im Selbstverständnis von Palliative Care. Auch die in diesem Kontext Tätigen brauchen ein Sinnsystem, dem sie ihre Patienten anvertrauen können, wenn ihre fachlichen Instrumente nicht mehr greifen.

Die Helfer haben ja in ihren Fachdisziplinen selbst keine Methoden, um im engeren Sinn dem Sterbenden als Sterbenden – und nicht als Patienten mit einer behandelbaren Krankheit – begegnen zu können. Das Sterben selbst ist ja mit existenzieller Erschütterung und Abschiedsprozessen verbunden, die eine Herausforderung eigener Art bedeuten. Die früher von der Glaubensgemeinschaft vermittelte ars moriendi hat sich weitgehend aufgelöst.

Hier bietet sich die spirituelle Dimension als Sinnreservoir, als „innere“ Auffangstruktur für das Nichtmachbare und Unausweichliche an. Es ist also auch eine Entlastung für die Helfer, dass Spiritualität als „Container“ in die Versorgungsstruktur einbezogen wird. (Entfaltet bei Weiher, 2011)

Seelsorge wird daher in Fallbesprechungen und Teamaustausch dafür stehen, dass die Anerkennung des Fragmentarischen und die Grenzerfahrung, nicht „mehr“ machen und lösen zu können, eine eigene – eben eine spirituelle – Qualität hat. Sie steht mit dem Team zusammen im Ringen zwischen dem Machbaren und dem Nichtmachbaren. Dabei will gewürdigt werden, was die Therapierenden an Lösbarem leisten können; zugleich aber will auch ein Platz und eine Sinngebung für das Unlösbare gefunden werden. Es bedarf einer hohen Kunst der Seelsorge, die Spannung zwischen Idealvorstellung und Wünschbarem einerseits und dem wirklich Leistbaren und dem, was losgelassen werden will andererseits, mitauszuhalten und zugleich dafür einzustehen, dass auch das Unheilbare und Ungetröstete seine Würde hat und alle es einer höheren Macht anvertrauen dürfen. In wohlverstandenem Sinn „segnen“ die Religionsvertreter die Arbeit an der Grenze – in Gottesdienstangeboten explizit, meist aber eher implizit durch die Art, wie sie die spirituelle Dimension erinnern und die Präsenz im Spannungsbereich zwischen Leben und Tod würdigen.

2.3. Seelsorge: Chancen und Grenzen

Die interprofessionelle Einbeziehung der Seelsorge ist letztlich ein Gewinn für alle – auch die seelsorglichen – Professionen: Alle arbeiten an einem Ort, an dem der Mensch (auch die Mitarbeiter) ganzheitlich gesehen wird. Die ganze Palliativkultur „sorgt“ für eine ganzheitliche Sicht in der Betreuung. Sie gehört zum Berufsverständnis aller, nicht nur der Seelsorge. Man weiß verschiedene Aspekte vertreten und gut aufgehoben; keiner muss alles gewährleisten. Der Erfahrungsaustausch mit anderen Disziplinen ist eine Bereicherung des eigenen Berufs. Hier sei allerdings die Frage erlaubt, in welchem Umfang und mit welcher Vielfalt von Aufgaben die Seelsorge involviert sein muss. Im Einzelfall ist das sicher nicht genau abzugrenzen. Die Hospiz- und Palliativszene hat für die notwendigen Aufgaben am Lebensende hohe und oft überhöhte Vorstellungen und ein magnetische Wirkung, so dass sich Seelsorge grenzenlos engagieren könnte („Omnikompetenzsyndrom“). In der idealerweise vorstellbaren Intensität wird eine völlige Integration in die Versorgungsstruktur – aus verschiedenen Gründen – aber nicht überall möglich sein. Die strukturelle Einbindung der Seelsorge, wie sie auf der Palliativstation praktiziert wird, kann höchstens ein exemplarisches Handeln von Kirche sein, kein Modell für die „Fläche“ – es sei denn, die Gesellschaft würde die finanziellen und personellen Ressourcen bereitstellen, die die Kirchen alleine nicht mehr aufbringen können. Die Palliativstruktur kann aber ein leitendes Bild sein, mit diesem Blick den vielen anderen Situationen im Krankenhaus zu begegnen, die nicht so ideal sind und nicht die vorteilhaften Bedingungen von Palliative care aufweisen. Zugleich muss Seelsorge jedoch lernen, dass sie zwar herausgefordert ist, aber bei weitem nicht alles einlösen kann, was wünschenswert wäre. Im Übrigen stellt sich die Frage, ob in Zukunft Fachseelsorge nur von kirchlichen Trägern zur Verfügung gestellt wird, oder ob es auf dem Markt (wie z.B. in den Niederlanden) noch andere Anbieter für spirituelle Begleitung geben wird und was dies dann für das Verständnis und die Qualität von spiritual care und die Kooperation mit den Berufsgruppen heißt.

3. Besondere Themen der Palliativseelsorge

In einem letzten Abschnitt sollen noch einige wichtige Fragen und Stichworte angesprochen werden.

    1. Ökumenische und interreligiöse Präsenz.

Evangelische und katholische Krankenhausseelsorge arbeiten in der Regel seit langer Zeit ökumenisch. Konfessionelle Unterschiede spielen erst dann eine Rolle, wenn dies von den Patienten und Angehörigen gewünscht oder bei bestimmten Ritualen notwendig wird.

Andere Religionsgemeinschaften kennen kaum Seelsorge in der Form, wie die christlichen Kirchen sie anbieten und praktizieren. Vertreter anderer Religionen sind in der Regel nicht pastoralpsychologisch aus- und fortgebildet. Es gibt inzwischen allerdings erste Ansätze und interreligiöse Kontakte mit dem Ziel, dass auch andere Religionsgemeinschaften für ihre Mitglieder Seelsorge anbieten können. Es erübrigt sich zu sagen, dass alle Berufe auch für Angehörige anderer Kulturen „Räume“ offen halten müssen, in denen diese sich mit ihrer Ausrichtung verstanden und angenommen empfinden können. Die Seelsorge kann auch für Andersgläubige ein Ansprechpartner sein, bei dem man mit seinen religiösen Themen auf eine gute Resonanz stößt. Zudem ist es Aufgabe der Seelsorge, die Verbindung zu Geistlichen oder Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften herzustellen.

    1. Schweigepflicht

Zwar unterliegen alle patientennahen Berufe einer Schweigepflicht bzgl. dessen, was der Patient ihnen anvertraut oder was sie durch ihre fachlichen Begegnungen direkt oder indirekt von ihm erfahren. Die Rolle der Seelsorge hat aber ihre eigene Problematik. Wenn Menschen eigens das Gespräch mit der Seelsorge suchen und dort etwas von ihrem Innersten offenbaren, dann dürfen sie zu Recht absolute Vertraulichkeit erwarten. Das seelsorgliche Gespräch wird dann von vornherein mit dem Kontrakt der amtlichen Verschwiegenheit geführt. Dies gilt also für alle Fälle, in denen Menschen die Seelsorge gerade wegen deren Schweigepflicht aufsuchen. Es gibt jedoch auch offene Formen der seelsorglichen Begegnung und Begleitung wie z.B. in Palliative Care, bei denen der Patient direkt oder indirekt darüber informiert ist, dass die Seelsorge zur ganzheitlichen Betreuung dazugehört. Diese fallen dann nicht automatisch in die Kategorie Beichtgeheimnis und absolute Vertraulichkeit. Natürlich ist auch bei der offenen Form zu bedenken, welche Vertraulichkeit ein Patient jeweils mit „Seelsorge“ verbindet und was er unausgesprochen voraussetzt.

Von Seiten der kirchlichen Dienstgeber wird diese Differenzierung der Seelsorge-Kontakte zur Zeit nicht überall vorgenommen. Da die Pflicht zur Verschwiegenheit oft in engem Bezug zum Zeugnisverweigerungsrecht gesehen wird, wird das Amtsgeheimnis sehr defensiv und restriktiv interpretiert. Danach gilt die Vertraulichkeit grundsätzlich für jede seelsorgliche Begegnung. Auch wenn Seelsorge, wie im Fall der Palliativarbeit, zum versorgenden Team gehört, müsste sie sich im Unterschied zu den anderen Professionen danach prinzipiell auf das Seelsorgegeheimnis berufen und eine Sonderrolle beanspruchen.

Die therapeutischen Berufe dürfen aus ihrer Sicht andererseits zu Recht erwarten, zu erfahren, ob und welche Ansprechpartner der Patient für seine Ängste und Nöte hat. Zudem möchten sie das Wissen und die Einschätzung der Seelsorge über die Befindlichkeit, über biographische Faktoren und über die Krankheitsbewältigung für eine gute Versorgung des Patienten nutzen. Umgekehrt möchte sich die Seelsorge ja auch auf die spirituellen Bedürfnisse der Patienten entsprechend dem Konzept von Palliative Care stützen können. Die Spannung zwischen den dienstlichen Vorgaben der Kirchen und dem therapeutisch Wünschenswerten lässt sich zur Zeit nicht auflösen. Der Kernwert Vertrauen ist schließlich ein besonderes Merkmal der Seelsorge. Es wäre aber zu wünschen, dass dieser Wert differenziert zur Geltung kommt. Wenn Seelsorge zum Team gehört, dann müsste sie sich wie jeder der anderen Berufe auf die Schweigepflicht aller Professionen nach außen hin („kollektive Schweigepflicht“) berufen können. Der Seelsorgeperson muss dann zugetraut werden, dass sie einschätzen kann,

  • was der absoluten Geheimhaltung bedarf und was ihr mutmaßlich unter diesem Vorzeichen anvertraut wurde,
  • was sehr intim ist und nichts zur Versorgung des Patienten und seiner Familie beiträgt,
  • was ohne Detailangaben in seiner allgemeinen Bedeutung für eine gute Gesamtversorgung innerhalb der Teamstruktur wichtig ist,
  • was vom Patienten selbst auf Nachfrage der Seelsorge für den Austausch mit anderen Professionen freigegeben wird (z.B. Angsterleben, Sorge um Angehörige, Fragen der Weiterversorgung), und
  • was offensichtlich nicht der Geheimhaltung bedarf (z.B. weil alle sehen, wen Seelsorge öfter besucht).

Alle im Team, vor allem die Seelsorgenden, müssten dann darauf achten, wie über sehr persönliche Probleme und Werte eines Patienten gesprochen und ob deren Bedeutung sensibel aufgenommen und respektvoll (das gehört zur Vertraulichkeit, die der Patient von allen Berufsgruppen erwarten darf) wahrgenommen wird.

Auf keinen Fall sollten die anderen Behandler etwas aus dem Seelsorgebereich explizit dem Patienten gegenüber verwenden („Ich habe von der Seelsorge gehört, dass Sie …“) sondern es nur implizit in die Versorgung einfließen lassen.

Zum Thema Schweigepflicht und Dokumentation muss sicher noch weiter diskutiert werden, was dies unter den Bedingungen einer strukturellen Mitarbeit für die Seelsorge bedeutet. Es ist zu wünschen, dass im wohlverstandenen Interesse des Patienten ein Ausgleich gesucht wird zwischen der Schutzpflicht auf der einen und der Intention einer ganzheitlichen Behandlung auf der anderen Seite. Die Frage bleibt vorerst, wie die normativen Vorgaben in eine gute Kooperationspraxis einmünden können. – Seelsorgende sollten sich über die Vorgaben ihrer jeweiligen kirchlichen Dienstgeber kundig machen und diese mit ihnen im Hinblick auf das ganzheitliche Betreuungskonzept diskutieren, um mögliche Spielräume in ihrer Mitarbeit im Team nutzen zu können. – Im Zweifelsfall kann der Seelsorgende auch jetzt schon mit Patienten und Angehörigen direkt klären, was wie ins Team gelangt und was es braucht, damit es dort gut aufgehoben ist. Mit einer schriftlichen Einverständniserklärung ist er auf jeden Fall auf der sicheren Seite.

    1. Dokumentation

Eine Dokumentationspflicht gilt zunächst nur für die medizinisch-pflegerischen Professionen. Die Seelsorge unterliegt in diesem Sinn keiner Verpflichtung zur Dokumentation. Sie ist in dem Vertrag zwischen Klinik und Patient, bei dem zu medizinischen Zwecken die Daten des Patienten erhoben und dokumentiert werden, nicht eingeschlossen. Wenn sich aber, wie in den letzten Jahren durch die Palliativkonzepte die Behandlungsphilosophie weiterentwickelt hat, müsste sich auch Seelsorge in die neue Praxis einfügen. Da sich die Anwesenheitszeiten der verschiedenen Dienste oft nicht überschneiden, sollten sich die anderen Teammitglieder über wichtige Beobachtungen und Erkenntnisse der Seelsorge informieren können. Wie unter dem Abschnitt „Schweigepflicht“ diskutiert, müsste der Seelsorgende die Eindringtiefe bei seiner Informationsweitergabe selbst bestimmen können. Wenigstens das Dass und Wann von seelsorglichen Kontakten sollte festgehalten werden. Einer Dokumentation der Häufigkeit und Dauer seelsorglicher Tätigkeit bei Patienten als Nachweis dem Träger oder einer Krankenkasse gegenüber ist unter Datenschutzgesichtspunkten unproblematisch, solange sie nicht personbezogen sind. Es ist sogar wünschenswert, dass Seelsorge – auch aus Finanzierungsgründen – ihre Mitarbeit als wichtigen Teil der Versorgung ausweist. Inzwischen gibt es ja bereits Bestrebungen und regional einige Pilotprojekte, seelsorgliche Begleitung in die abrechnungsrelevanten Leistungen einzubeziehen.

    1. Brauchen Seelsorgende für die Arbeit in Palliative Care eine spezifische Ausbildung?

Grundsätzlich gilt: Krankenhausseelsorger sind heutzutage in der Regel so gut ausgebildet, dass von allen auch die Arbeit im palliativen Kontext erwartet werden kann. Die Palliativstruktur fordert „nur“ manche Fähigkeiten in besonderem Maß heraus: die strukturierte Mitarbeit in einem Team, die Fähigkeit, sich des eigenen Berufsprofils bewusst zu sein und es deutlich darstellen und einbringen zu können; mit den anderen Berufen Kompetenzen in spiritueller Begleitung zu erarbeiten; Kenntnisse über Trauerverläufe, über Sterben, Tod und Trauer in anderen Religionen; Ritualkompetenzen;differenzierte Begleitungsangebote für die Mitarbeitenden anbieten können, die mit häufiger Leid- und Todesbegegnung konfrontiert sind (also nicht nur „mal gerade was loswerden“); multiplikatorische Fähigkeiten. Es ist sicher hilfreich, wenn der Seelsorgende allgemeine Kenntnisse hat über physische Prozesse des Sterbens und Aspekte der Schmerztherapie, die notwendigen Handlungen nach dem Tod, auch z.B. wieviel Zeit die Angehörigen für Verabschiedung und eventuell Aufbahrung zu Hause haben. Statt sich jedoch darüber hinaus vertieftes medizinisches und psychotherapeutisches Wissen anzueignen, sollten Seelsorgende ihre eigene professionelle Wahrnehmung für den Patienten schärfen und das Wahrgenommene mit anderen Berufen austauschen und gegebenenfalls die Fachleute fragen und sich für deren Zugänge zum Patienten interessieren. Aus solchen Beziehungen erwächst sicher auch eine klarere Wahrnehmung dessen, was der Auftrag und die Arbeitsweise der Seelsorge ist und wohin man eigene Anliegen delegieren kann. Solches Interesse vertieft eher das gegenseitige Verständnis und das Vertrauen. Seelsorgende sind gerade auch angesichts des Sterbens keine Allrounder, die über alles Bescheid wissen, auch keine Sterbespezialisten. Sie lernen eher „nebenbei“ („learning by doing“) und in Beziehung zu den Tätigkeiten und Kompetenzen anderer. Berufsbegleitende Fortbildung und Vertiefung empfiehlt sich allemal, ist aber keine eigene Voraussetzung für die Arbeit. – Im übrigen müssen Seelsorgende gerade in Palliative Care ihre spirituelle Kompetenz weiterentwickeln, um angesichts des Sinnvakuums an der Grenze des Lebens für die „Logik der Spiritualität“ einstehen und glaubwürdig handeln und kommunizieren zu können.

    1. . Mitarbeit bei ethischen Entscheidungen am Lebensende

Die Verantwortlichen in Hospiz- und Palliativversorgung erwarten von der Seelsorge auch ethische Beratungskompetenz. Hierbei muss allerdings differenziert werden zwischen dem Seelsorger als (ausgebildetem) Ethikberater mit entsprechender Feldkompetenz einerseits und andererseits dem Beitrag der Seelsorge zur Ethikberatung aus spirituell-existenzieller Sicht (z.B. was der Patient oder seine Angehörigen für spirituelle oder religiöse Motive haben bzw. was für spirituelle Ressourcen, um eine Entscheidung auch durchzutragen). Seelsorgende werden bei der Auslegung einer Patientenverfügung oder bei der Weigerung des Patienten, Nahrung oder Flüssigkeit anzunehmen oder bei Sterbehilfewünschen des Patienten oder Angehöriger ihre Erfahrungen aus der Patientenbeziehung in die Beratung einbringen. – Seelsorge hat wohl eine genuine Affinität zur Ethik, aber Seelsorgende sind nicht per se Experten für Ethik in der Medizin. Diese Rolle müsste sie sich durch entsprechende Fortbildungen genauso aneignen wie die anderen Professionen im Gesundheitswesen.

    1. Palliativseelsorge und Gemeinde

Palliativseelsorge findet nicht nur in stationären Einrichtungen statt.

Das vorrangige Ziel der Palliativversorgung ist sogar, dass Patienten medizinisch gut betreut zu Hause leben und sterben können. Seelsorge sollte sich daher vor Ort in Bezug auf Versorgungs- und Begleitmöglichkeiten jenseits der stationären Einrichtungen kundig machen. Dazu gehören auch Kontakte und Vermittlungen zur kirchlichen Gemeinde oder zu Religionsgemeinschaften. Dafür ist es aber wichtig, dass die Gemeindeseelsorge nicht nur zur religiösen, sondern auch zur spirituellen Betreuung bereit ist. Aufgrund der komplexen Behandlungs- und Sterbeverläufe, die etappenweise sowohl stationär als auch ambulant erfolgen, ist eine gute Zusammenarbeit von Gemeinde- und Kategorialseelsorge ein einem pastoralen Netzwerk erforderlich, in dem auch neue Berufsprofile von Seelsorge gebraucht werden. Hierzu gehört auch die gemeinsam verantwortete Befähigung von Ehrenamtlichen für religiöse (z.B. Krankenkommuniondienst für katholische Patienten, Krankenbrief), existenzielle, spirituelle und Trauerbegleitung, die im Verbund mit anderen, auch nichtkirchlichen Versorgern gewährleistet werden kann. Deshalb sollen die hauptamtlichen Seelsorgenden auch den Kontakt zu den ambulanten und hospizlichen Diensten der Region pflegen. Ebenso sollten sie ihre Kompetenz in Sterbe- und Trauerritualen weiterentwickeln und nicht nur die Rituale vor dem Tod sondern auch die Aussegnung und Verabschiedung als eine wichtige Trauerhilfe neu schätzen lernen und in der Gemeinde bekannt machen. –

Anhang 1

Christliche Rituale bei Krankheit , Sterben und Tod

Hier sollen die für die Palliativsituation relevanten christlichen Rituale skizziert werden (vgl. Weiher 2008a, Weiher 2012). Dies geschieht auch deswegen, weil ein Großteil der Patienten und Angehörigen im Umkreis des Todes ihre transzendenten Bedürfnisse nach wie vor der christlichen Seelsorge anvertraut. Bei vielen Menschen in Europa ist die kulturelle Identität mit Erinnerungen und Assoziationen aus der christlichen Religion verbunden, auch wenn sie zu dieser Religion lange Zeit keinen Kontakt mehr hatten.

Rituale sind eine Form von Religion, bei der der Sinn von Leben und Sterben nicht explizit und inhaltlich erklärt wird. Sterben und Tod haben letztlich ihr Geheimnis, dem man nicht rational und analytisch gerecht werden kann. Der ‚Sinn’ wird durch ‚Tun’, also implizit ausgesagt und sinnlich miterlebbar dargestellt. Der Ritus sagt: Auch das zerbrechende und leidvolle Leben fällt aus dem Sinnganzen, das Gott garantiert, nicht heraus.

Segnen

Seelsorge greift die Situation des Sterbenden mit allen Sorgen und Hoffnungen auf und stellt den Menschen unter den Segen eines ganz Anderen. Damit wird vermittelt, dass ‚dein Leiden nicht bedeutungslos und leer ist’, dass das Schicksal auch in schwierigen und leidvollen Zeiten unter einem guten Stern steht, weil es – wenn auch nicht änderbar – beim Höchsten, bei Gott selbst, gut aufgehoben ist.

Das Segnen geschieht durch Auflegen der Hand auf den Kopf oder die Schulter oder durch den Segensgestus des Seelsorgers, z.B. mit den Kreuzzeichen auf die Stirn des Patienten. Gerade das Kreuzzeichen greift als Segensform die leidvolle Seite des Lebens (das „Kreuz“) auf und enthält zugleich die Verheißung, dass „du wie Jesus Christus da durchkommst und wie er gerettet und zur Auferstehung gerufen wirst“ („im Kreuz ist Heil und Hoffnung“). Katholiken beziehen auch Weihwasser mit ein als Zeichen, dass von der Taufe an das Leben – also auch im Sterben – unter der liebevollen Macht Gottes steht.

Abendmahl und Kommunion

Auch die Feier des Abendmahls oder der Kommunion mit einem der Situation angemessenen Gottesdienst im Krankenzimmer bringen den Patienten sinnlich-spürbar mit Gott in Verbindung. Hier wird der „Herr über Leben und Tod“ unmittelbar in das Schicksal dieses Menschen einbezogen in Form von Brot und Wein, von Worten der Heiligen Schrift, des Vaterunser und des Segens. Damit werden der Beistand Gottes und die Verheißung der Auferstehung in jedem dieser Gottesdienste erneuert und dem Sterbenden zugesprochen.

Beichte

Mit einem von der Kirche Beauftragten werden Aspekte des Lebens angeschaut, abgewogen und im Kontext der eigenen Biografie bewertet. Hier werden noch belastende Themen besprochen, nach Wegen der Versöhnung mit sich selbst und anderen, am Ende auch mit Gott gesucht. Seelsorge kann dazu anregen, noch einmal einen Kontakt herzustellen, einen Brief zu schreiben, das Testament zu überdenken, dem Partner zu sagen, dass man ihn liebt, dass man verzeiht. – Das Thema ‚Sich selbst und anderen vergeben’ wird neuerdings von vielen Seiten [5] als äußerst wichtig bestätigt. Es kann gerade bei Schwerkranken eine große Hilfe beim Sterben sein.

In der formellen Beichte spricht der Pfarrer dem Patienten konkret und ausdrücklich zu, dass Gott diese Schuld vergibt, und dass vor Gott jetzt alles gut wird.

Salbung

In den letzten Jahren wurde als Zeichen der besonderen Zuwendung Gottes („Du salbst mein Haupt mit Öl“, Ps. 23) zum kranken Menschen die Salbung wiederbelebt, wie sie im Neuen Testament beschrieben wird: „Wenn einer von Euch krank ist …“ (Jak. 5, 14 und15). Mit geweihtem Salböl wird dem Kranken ein Kreuzzeichen auf die Stirn und in die Handflächen gezeichnet. – Als besonderes Zeichen in der Krankheit ist diese Salbung aber für viele Menschen ein Signal, dass sie doch ernstlich krank sind und die ‚Salben’ der Medizin wohl nicht mehr ausreichen. Deswegen gehen viele Patienten – auch Sterbende – nur sehr zögernd auf dieses Angebot der Seelsorge ein. Andere jedoch gehen offen darauf ein, weil sie ihr Sterben bewusst gestalten und ihr Leben Gott überlassen wollen. – Auf katholischer Seite hat sich die Krankensalbung bei weitem nicht so durchgesetzt, wie es in der ersten Euphorie der 1970er Jahre erschien. Dagegen wird nach wie vor dieses Zeichen von den Angehörigen, seltener von den Patienten, als „Sakrament für die Sterbenden“(Letzte Ölung) erbeten, auch sogar noch unmittelbar nach Eintritt des Todes. „Jetzt kann kommen, was will“, sagen die Angehörigen oft danach. Jetzt haben sie ihrem Patienten ein Letztes getan und Gott alles, was zu sagen ist gesagt. – Die Seelsorge ist heutzutage darin geschult, die Krankensalbung so anzubieten, dass sie nicht mehr mit den Ängsten früherer Zeiten verbunden, sondern eine wirkliche spirituelle Hilfe ist.

Sterbesakramente

Das von der katholischen Kirche nach dem Konzil vorgesehene eigentliche Sterbesakrament ist die „Wegzehrung“ (Viaticum), die letzte heilige Kommunion. Dieses „Letzte Abendmahl“, wie es Jesus vor seinem eigenen Tod mit seinen Jüngern gefeiert hat, ist allerdings unter heutigen Bedingungen (stets neue Hoffnungen auf medizinische Möglichkeiten, Sterben unter Medikamenteneinfluss, große Schwäche, Schluckbeschwerden) oft nicht möglich. Angehörige katholischer Patienten bitten daher in den weitaus meisten Fällen um die Salbung für Sterbende, die „Letzte Ölung“. Diese können auch Patienten ohne eigene Aktivität, also auch bei eingeschränktem Bewusstsein, bei Verwirrtheit und im Koma empfangen.

Ein letztes religiöses Handeln – gleich ob es das katholische „Letzte Sakrament“ oder ein anderer Akt der Verabschiedung ist – ist nicht nur ein Zeichen für den Sterbenden selbst, sondern eine wichtige spirituelle Unterstützung für die Angehörigen. Allerdings wird es von diesen oft erst gewünscht, wenn der Patient kaum noch ansprechbar oder gerade verstorben ist. Vorher würde es einem das Herz zerreißen, ihm so deutlich sein Sterben anzukündigen und diese Tatsache für sich zu realisieren. Nicht selten wirkt sich eine zu frühe Zustimmung zum Sterben bei den Angehörigen als Schuldgefühl in der Trauerzeit aus. Das Miterleben dieses Zeichens hilft ihnen aber auch, ihren Sterbenden jetzt gut gehen zu lassen, weil jetzt ein ‚Letztes’ gesagt und getan ist. Die Erinnerung daran kann zu einer wichtigen Stütze in der späteren Trauer werden.

Nottaufe

Eltern erbitten für ein Kind, das nur eine kurze Lebenserwartung hat, aber auch für ein tot geborenes oder kurz vor dem Tod stehendes Kind die Taufe. Hier geht es weniger um die Aufnahme in die Kirche und (heute nicht mehr) um die Bewahrung des Kindes vor der Verdammnis. Eltern brauchen vielmehr ein Zeichen, dass auch dieser Hauch von Leben einen Namen hat, dass auch dieses Leben sinnvoll ist und vor Gott und der Welt einen unvergänglichen Wert hat.

Die Taufe kann jeder selbst Getaufte im Notfall mit Wasser und den Worten „Ich taufe dich im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes“ spenden.

In der Regel ist die Taufe mit der Namensgebung verbunden. Es ist wichtig für die Eltern und die Geschwister, dass auch das verstorbene Kind einen Namen hat und als Familienmitglied wertschätzend benannt und erinnert werden kann. Hilfreich ist eine Taufkerze, die auch später noch an die „kleine Flamme erinnert, die mit diesem Leben aufgeleuchtet und zwar physisch erloschen ist, in unserem Herzen aber immer brennt“.

Sterbesegen

In der katholischen Kirche wird die Frage nach weiteren Ritualmöglichkeiten für die Sterbestunde, neben der Wegzehrung und der Krankensalbung immer dringlicher gestellt. Die religiöse Situation am Sterbebett ist heute wesentlich vielfältiger als noch vor 20 Jahren. – Inzwischen gibt es in einigen deutschen Diözesen Agenden, die von den zuständigen Bischöfen befürwortet werden. Für die Sterbestunde braucht es ein „starkes“ Zeichen, das mehr ausdrückt als ein alltäglicher Krankensegen. Die Letztsituation, das Gehen eines Menschen aus dieser Welt verlangt – anthropologisch gesehen – ein starkes Gegengewicht, das das existenzielle Gewicht des kommenden Todes zu tragen vermag.

Zu den Kernsymbolen eines Sterbesegens können folgende Elemente gehören: Handauflegung mit Gebet, Kreuzzeichen auf Stirn und Hände mit Worten wie bei der Aussegnung, als Materie Weihwasser (der Sinn: du bist durch die Taufe in Gottes Leben hineingenommen, auch im Tod wirst du nicht aus diesem Leben herausfallen – in Ewigkeit nicht), eine Kerze mit einem österlichen Symbol.

Abschied am Totenbett – Aussegnung

Die spirituelle Begleitung hat nicht nur den Patienten im Blick, sondern sie gilt, direkt oder indirekt, auch den Angehörigen. Solche Unterstützung wirkt sich nicht nur auf die Sterbezeit aus, sondern auch auf die Zeit der Trauer nach dem Tod. Zu diesen guten Erfahrungen im Schlimmen gehört auch die „Aussegnung“. Dabei kann der spirituelle Begleiter dem Verstorbenen ein dreifaches Kreuzzeichen auf die Stirn machen: „Es segne dich Gott der Vater, der dich erschaffen hat; Jesus Christus, der dich erlöst hat; der Heilige Geist, der auch auf dem Weg durch den Tod bei dir ist“. Danach kann er die eine Hand ergreifen und bitten: „Gott nehme all das in seine Hand, was in deinem Leben durch deine Hände gegangen ist: alles, was du berührt…, geschafft…, an Schwerem getragen hast…, was du vielleicht falsch gemacht oder verletzt hast…, was du jetzt mehr tragen konntest… . Gott segne es. In seiner Hand wird alles gut und heil.“

Beim Ergreifen der anderen Hand: „Gott sende dir seinen heiligen Engel, deinen Schutzengel, der von Anfang deines Lebens mit dir geht, deinen Namenspatron (den heiligen N., die heilige. M.), der dich von Anfang deines Lebens mit Namen kennt. Die Heiligen und die Engel geleiten dich auch auf dem Weg durch das Dunkel des Todes zum Licht Gottes. Gott lässt dich sowieso nicht aus den Augen und aus dem Sinn – in Ewigkeit nicht. Amen“. Danach ist Raum, um dem Verstorbenen noch ein Letztes zu sagen (‚hinüberzurufen’), eine Liebe, einen Dank, eine Bitte, ein wichtiges Wort der Verbundenheit, der Wertschätzung. Dann folgt das Vater unser. Der Geistliche segnet alle Anwesenden: „Es segne und behüte Euch in eurer Not und Trauer Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.“

Nach dem Tod werden die Hände des Verstorbenen über der Brust gefaltet. Eine Kerze wird angezündet oder eine Blume auf das Bett gelegt, die Fotos von Familienmitgliedern auf dem Nachttisch zurechtgerückt („die sind jetzt auch dabei“), sein Gesicht bewusst angeschaut, Stille gehalten oder erzählt, manchmal der Rosenkranz gebetet oder Psalmen („…Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen…“(Ps. 121), „… im Haus des Herrn darf ich wohnen für lange Zeit.“ (Ps. 23)).

Auch Nichtseelsorger können einen Abschied gestalten, wenn die Seelsorge nicht gewünscht oder erreichbar ist. – Aus dem Altenheim- und Hospizkontext gibt es inzwischen viele Ritualmodelle für die Helfer. (Ausführlicher siehe Smeding, Weiher, 1999 und Weiher, 2004)

Anhang 2

Seelsorge auf der Palliativstation – am Beispiel der Universitätsmedizin Mainz

Die Aufgaben werden in ökumenischer Absprache wahrgenommen und sind paritätisch aufgeteilt.

  1. Begleitung von Patienten und Angehörigen
  • Seelsorgliche Begleitung von 4 der 8 Patienten und deren Angehörigen (Die Häufigkeit der Besuche orientiert sich an der Nähe zum Prozess)
  • in besonderen Situationen 24 h-Erreichbarkeit
  • Abendmahl-/Krankenkommunionfeiern, Krankensalbungen, Segnungen
  • Abschiedsrituale/Aussegnungen
          • auf Anfrage für potentiell alle Verstorbenen der Station
          • auf Ruf zwischen morgens 7.00 Uhr und abends 21.00 Uhr, auch am Wochenende
          • in Ausnahmefällen auch nachts
          • ansonsten kann auf die übliche Rufbereitschaft der Klinikseelsorge zurückgegriffen werden

2 mal im Jahr ökumenischer Gedenkgottesdienst für Angehörige von Verstorbenen mit anschließendem Kaffeetrinken

in besonderen Situationen auf Anfrage von Angehörigen: Trauerfeier oder Bestattungen

  1. Stationsteam
  • Allgemein: Offenes Ohr, Ansprechbarkeit für belastende Situationen für Mitarbeitende, seelsorgliche „Tür und Angel“-Kontaktpflege, Teambildung
  • Teilnahme an Frühbesprechung 2-3 mal in der Woche mit den Zielen: Nähe zum Prozess des Patienten (medizinisch, pflegerisch); gemeinsames Schauen auf Bedürfnisse (Einschätzungen); Besprechung, wer sich von den Mitarbeitenden besonders wem widmet, wer wie mit den Angehörigen oder dem Patienten über Sterben und Tod spricht; Überlegungen auch zur spirituellen Weiterversorgung; Verlegung nach Hause oder in Hospiz und was dies für Patienten und Angehörige bedeutet.
  • Einmal in der Woche „große Übergabe“ (1 Std.) mit allen Professionen (auch Physiotherapie, Kunsttherapie, „Flüsterpost“, Psychosomatik, ambulanter Hospizdienst). Dort setzt sich Seelsorge mit den anderen therapeutischen Berufen in Beziehung, versteht und kommuniziert Verbindendes und Unterscheidendes.
  • Seelsorgliche Dienstgespräche mit Kollegen der anderen Konfession.
  • Circa alle sechs Wochen Abschiedsritual für die Mitarbeitenden (ca. 1 Stunde), gestaltet von der Seelsorge. Dort und in die Teilnahme bei Aussegnungen und Gedenkgottesdiensten können die Spiritualität und die Trauerverarbeitung des Teams einfließen und haben einen rituellen Ort.
  • Bisher alle 2 Jahre: 3-tägige Besinnungs- und Rekreationstage für das Team der Palliativstation. Offen auch für Mitarbeitende des ambulanten und des stationären Hospizes (Selbstsorge und Teamentwicklung).
  • Circa 1- 3 mal im Jahr Teilnahme bzw. auch selbst gestaltete Fortbildung im Rahmen eines Jour fix mit Themen zu Ethik, Ritualen, Kommunikation.
  • Einmal im Jahr: eintägiges Kommunikationsseminar (eventuell Mitgestaltung).
  • Zweimal im Jahr jeweils 2 Oasentage (damit alle einmal teilnehmen können) für die Pflegenden (außerhalb von Mainz).
  • Einmal im Monat Teamsupervision (freiwillige Teilnahme). (Supervisoren müssen von „außen“ kommen, Seelsorge bietet im eigenen Team keine Supervision an.)
  1. Stationsübergreifend:
  • Alle 3 Monate Teilnahme an „Qualitätszirkel“: Besprechung mit den Repräsentanten der Berufsgruppen über Belange, die die gesamte Station und die Vernetzung in der Gesamtklinik betreffen; Planung von Fortbildungen und Veranstaltungen.
  • Teilnahme am Palliativkongress (dreitägig; alle 2 Jahre; gegebenenfalls dort auch die Option der Gestaltung eines Seminars/Workshops, einer Vorlesung oder eines Posters).
  • Arbeitskreis Palliativseelsorge: ca. 4 Treffen pro Jahr mit KollegInnen des Bistums und der Landeskirche aus der Region.
  • Teilnahme am Sommerfest, an der Adventsfeier und an anderen Events der Station.
  • Trauerbegleitung Angehöriger nach dem Tod (in Einzelsituationen)
  • Beteiligung an der Lehre im neuen Querschnittsbereich „Palliativmedizin“ (Q 13) des Medizinstudiums an der Universität: 8 Lerngruppen in höheren Semestern, jeweils eine Doppelstunde zu den Themen Spiritualität und Trauer.
  • Weitere Fortbildungstätigkeit zu „Spiritual Care“ in Palliative Care-Kursen und Einrichtungen und eigene Fortbildungen in diesem Bereich.
  • Mitgliedschaft im Netzwerk Palliative Care der Stadt (2 Treffen im Jahr und Sondertermine).
  1. Ehrenamtliche
  • „Ausbildung“ (Qualifizierung)
          • Aquise (Flyer; Presse; Gespräche: Info-Abend) und Auswahlgespräche
          • Über 3 Monate: 4 Seminartage (von der Seelsorge gestaltet) und 10 Abende (1 Abend nur die Seelsorge über Spiritualität, 3-5 Abende zusammen mit der Pflege)
          • Einführungsabend und Abschlussabend
          • Kontrakt mit Ehrenamtlichen

Begleitung

          • Steuerungsgruppe (2 Ehrenamtliche, 2 Personen aus der Pflege und jeweils eine Person aus Medizin und Seelsorge)
          • 4x Supervision (jeweils 2 Termine für 2 Gruppen, weitere Termine bei speziellem Bedarf)
          • 2x im Jahr Leitung von Treffen zusammen mit der Pflege

Regularia, Informationen, Absprachen

nach Bedarf kleine Fortbildungseinheiten

Gedenken an die Verstorbenen der letzten Zeit

          • 1- 2 x im Jahr: ein Fortbildungstag und /oder Fortbildungsabende
          • 1x im Jahr „Betriebsausflug“ oder gemeinsame Unternehmung mit den Ehrenamtlichen

Abschließende Fragen zur Reflexion

  1. Für Seelsorgende:
    • Sind Sie damit einverstanden, dass sich kirchliche Seelsorge über „religious care“ hinaus auch als „spiritual care“ verstehen muss?
    • Was sind Ihre Methoden und „Medien“, mit Menschen ohne religiösen Hintergrund spiritual care zu praktizieren?
    • Überlegen Sie, was von den Möglichkeiten, wie sie im Anhang 2 genannt sind, Sie bereits praktizieren, was im Rahmen Ihres Stellenumfangs möglich und was nicht möglich ist.
  2. Für nichtseelsorgliche Berufe:
  • Was bedeutet es für Sie, sich in Ihrer Fachrolle als „Seelsorgende im weiteren Sinn“ zu verstehen?
  • Können Sie verstehen, dass es neben der psychosozialen Begleitung die Seelsorge mit ihrem eigenen Profil und mit eigener Kompetenz braucht?
  • Können Sie sich vorstellen, die Seelsorge in Ihrem Team begegnungsoffen einzubeziehen, auch wenn Sie selbst nicht religiös geprägt sind?

Verwendete Literatur

Andriessen H (1999). Spiritualität und das Geheimnis des Lebens. Vortrag beim 12. Nauroder Ärztetag am 27.11.1999.

Aulbert E, Weiher E et al. (2012). Sterbestunde – Obduktion – Bestattung. In: Aulbert E, Nauck F, Radbruch L (Hg). Lehrbuch der Palliativmedizin. Stuttgart: Schattauer: 1006 – 2022.

Baumgartner I, Pfrang C, Haslbeck B. Ambulante Palliativversorgung und Seelsorge. Forschungsbericht zu einer empirischen Befragung Juni 2009. Lehrstuhl für christliche Gesellschaftslehre und Caritaswissenschaften, Universität Passau.

Klessmann M (Hg) (1996). Handbuch der Krankenhausseelsorge. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht (3. Auflage 2008).

Nauer D (2001). Seelsorgekonzepte im Widerstreit. Stuttgart: Kohlhammer.

Nauer D (2007). Seelsorge – Sorge um die Seele. Stuttgart: Kohlhammer.

Petzold H (1984). Integrative Therapie – der Gestaltansatz in der Begleitung und psychotherapeutischen Betreuung sterbender Menschen. In: Spiegel-Rösing I (Hg). Die Begleitung Sterbender. Paderborn: Junfermann: 431 – 497.

Plüss D, Schenker D (2002). Welche Seelsorge hätten Sie denn gerne? Oder: Was willst du, dass ich dir tun soll? (Lk18,41). Praktische Theologie, 37: 22 – 33.

Smeding R, Weiher E (1990). Tot und begraben? In: Weiher E. Die Religion, die Trauer und der Trost. Mainz: Grünewald: 168-180 (3. Auflage 2007).

Smeding R, Heitkönig-Wilp M (Hg) (2005). Trauer erschließen. Eine Tafel der Gezeiten. Wuppertal: Der Hospiz-Verlag.

Walter T (1994). The revival of death. London: Routledge.

Weiher E (2008) Das Geheimnis des Lebens berühren. Spiritualität bei Krankheit, Sterben, Tod. Eine Grammatik für Helfende. Stuttgart: Kohlhammer (3. Aufl. 2011). (zitiert: Weiher 2008 a)

Weiher E (2004). Die Sterbestunde im Krankenhaus. Was können die Professionellen im Umkreis des Todes tun? Beiträge zur Thanatologie des IAK Thanatologie der Johannes Gutenberg-Universität, H 28.

Weiher E (2011). Wieviele Sterbende verträgt ein Mensch? In: Schäfer R, Schuhmann G (Hg). „Wieviele Sterbende verträgt ein Mensch?“ Würzburg: Königshausen und Neumann: 33 – 48.

WHO – World Health Organisation (1990) Cancer pain relief and palliative Care. Report of a WHO Expert Committee. World Health Organisation, Genf.

Weiterführende Literatur

Ärztekammer Niedersachsen (Hg) (2003). Lasst mich …, aber lasst mich nicht allein. Seelsorge in einem palliativmedizinischen Modellprojekt. Hannover: Lutherisches Verlagshaus .

Bertram P, Kneißl S, HagenT (2009) Krankenhausseelsorge-Qualität im Kontext von Spiritual Care. In: Frick E, Roser T (Hg). Medizin und Spiritualität. Stuttgart: Kohlhammer: 80-93.

Borck S (2006). Seelsorge in der Palliativmedizin. Bundesgesundheitsblatt – Gesundheitsforschung – Gesundheitschutz, 11: 1122-1131.

Charbonnier R (2008). Seelsorge in der Palliativversorgung. Wege zum Menschen, 60: 512 – 528.

Karle I (2010). Perspektiven der Krankenhausseelsorge. Eine Auseinandersetzung mit dem Konzept des Spiritual Care. Weg zum Menschen, 62: 537 – 555.

Roser T (2007). Spiritual Care. Ethische, organisationale und spirituelle Aspekte der Krankenhausseelsorge. Ein praktisch-theologischer Zugang. Stuttgart: Kohlhammer.

Roser T (2010). Resonanzen erzeugen: Der Beitrag von Krankenhausseelsorge zur Spiritualität in der Palliativversorgung. Zeitschrift für Medizinische Ethik, 56: 17 – 32.

Swift C, Handzo B, Cohen I (2012) Healthcare Chaplaincy. In: Cobb M, Puchalski C M, Rumbold B (Ed). Oxford Textbook of Spirituality in Healthcare. New York: Oxford University Press: 185-190.

Weiher E (1999). Die Religion, die Trauer und der Trost. Seelsorge an den Grenzen des Lebens. Mainz: Grünewald (3. Auflage 2007).

Weiher E (2008). Palliative Care und Spiritualität. Wozu fordert die Entwicklung der Palliativ-Versorgung die Krankenhaus-Seelsorge und die Kirche heraus? Krankendienst, 81: 112 – 116.

Weiher E (2010). (Klinik-)Seelsorge als Kommunikation spiritueller Erfahrung. In: Lames G, Nober S, Morgen C (Hg). Psychologisch, pastoral, diakonisch. Praktische Theologie für die Menschen. Trier: Paulinus: 231-244.