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Bergende und hilfreiche Rituale bei Krankheit, Sterben, Tod

Bergende und hilfreiche Rituale bei Krankheit, Sterben, Tod

Das Thema „Rituale“ hat in den letzten Jahrzehnten sowohl wissenschaftlich wie anwendungsbezogen eine deutliche Aufwertung erfahren. In der vorausgehenden Medizin und Psychologie der Moderne (T. Walter) wurden Rituale als leere Formalismen abgetan und das Behandelbare an Krankheiten und psychischen Störungen in den Vordergrund gerückt. Wo aber blieb und bleibt dabei „das Leid“ (F. Rest), also die existenzielle Seite, die mit den Leiden, mit der Erfahrung der Begrenztheit des Lebens, mit dem Unlösbaren und am Ende mit dem Sterben und Tod verbunden sind? In der Postmoderne rückt zu Recht die Sehn- sucht in den Blick, bei aller Unverfügbarkeit des Schicksals Strukturen zu finden (Vgl. J. Habermas), die Bedeutsamkeit, Beständigkeit und Beheimatung vermitteln und die es ermöglichen, dem Existenziellen nicht aus dem Weg zu gehen, sondern ihm mit sinnvollen Handlungsmöglichkeiten zu begegnen. So kann man definieren: „Unter Ritual kann man jede Aktivität verstehen, die nicht nur einen Zweck verfolgt, sondern zugleich einem Menschen wie seiner Lebenssituation Bedeutung geben soll“. Rituale sind anthropologisch begründete Formen, die das Existenzielle nicht durch Erklärung und Diskussion, sondern durch symbolisches Handeln, Gesten, Berührungen etc. „bearbeiten“. Sie vermitteln den Sinn von Lebensvorgängen, indem sie „Sinn“ darstellen und damit den alten, den kranken und den sterbenden Menschen in die bergende Ordnung hineinnehmen, der die Menschheit zu allen Zeiten – in unterschiedlichen Formen – Menschen diesseits wie jenseits der Grenze anvertraut hat. Rituale – nicht nur religiöse – nehmen eine höhere Ordnung des Lebens in Anspruch, gerade wenn die „normale“ Ordnung gestört ist. So helfen Rituale im wohlverstandenen Sinn nicht nur den Patienten, sondern auch denen, die sie versorgen.

Es geht daher um

  • Die Gewohnheiten und Alltagsrituale, die Bewohner und Patienten aus ihrem Leben mitbringen
  • Die Routinen der Behandler und Begleiter, die zu „kleinen“ beruflichen Ritualen werden können
  • Begehungen, Liturgien und Feste, die vor allem im Alten- und Pflegeheim eine wichtige lebensbegleitende Rolle haben
  • Perimortale Rituale, die Pflegende und Ärzte im Umkreis des Todes zur Verfügung haben, um den Betroffenen existenzielle Übergänge zu ermöglichen
  • Rituale, die die Professionen bei ihren Begegnungen mit Leid und Tod für sich und als Team entwickeln können.

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Im Folgenden noch einige Ergänzungen zu den Modulelementen:

Zu Schulungsinhalte:

  • Rituale als anthropologische Grundkonstanten
  • Unterscheidung: Gewohnheiten, Begleitrituale, Übergangsrituale, Riten (religiös)
  • Wahrnehmung von, Respekt vor und Unterstützung bei Gewohnheiten und Alltagsritualen von Bewohnern und Patienten
  • Berufliche Routinen, die als rituelle Handlungen qualifiziert werden können
  • Aufbau und Struktur perimortaler Rituale (z. B. 180 sec. Programm für Ärzte)
  • Persönliche und teambezogene Rituale angesichts von Sterben und Tod

Zu Literatur:

Enzner-Probst B (2010) Trauer leben. Rituale, Segensworte und Gebete. Claudius

Rehn J, Gary G (2007) Dein Bleiben war nur geliehen. Abschiedsriten und Liturgien mit Sterbenden im Krankenhaus. Tyrolia.

Lammer K (2000) Den Tod begreifen. Trauerbegleitung am Totenbett. WzM 52: 400-408.

Kunz R (2021) Rituale. In: Frick E, Hilpert K (Hg.) Spiritual Care von A bis Z. De Gruyter.

Weiher E (2004) Die Sterbestunde im Krankenhaus. Was können die Professionellen im Umkreis des Todes tun? Beiträge zur Thanatologie. Interdisziplinärer Arbeitskreis Thanatologie der JGU Mainz, H. 28.