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Axiomen und Annahmen von denen diese spirituelle Kommunikation ausgeht

Erst im Lauf der Entwicklung der Konzeption von spiritueller Kommunikation sind mir  die Voraussetzungen aufgegangen, die ich dieser Praxis zugrunde lege. Es sind Grundannahmen über den Menschen, die nicht per se überprüfbar sind und die doch ein sinnvolles Vorgehen begründen und sich für den Umgang mit der existenziellen und spirituellen Dimension als hilfreich erweisen.

  1. Leben, Krankheit, Sterben und Trauer betreffen den Menschen existenziell, d.h. nicht nur körperlich, emotional, in seinen sozialen Beziehungen und mental (in seiner rationalen Verarbeitung), sondern in seinem ganzen Daseinkönnen in der Welt, also in seiner Existenz.
    • Darauf basiert als Definition: Spiritualität ist der deutende Umgang des Menschen mit seinem existenziellen Betroffen- und Bedroht-sein.

2. Menschen wollen mit Ihrer Innenseite wahrgenommen werden, nicht nur mit ihren Befunden und Gefühlen. Es gehört zur Förderung von Lebensqualität, sie als ganze Menschen mit allen Dimensionen (körperlich, psychisch, sozial, mental und spirituell) zu sehen.

  • In jedem Menschen gibt es ein integrierendes Potenzial, das sich nicht im Physischen, Psychischen und Sozialen erschöpft. Es macht letztlich seine „Mitte“ aus, auch wenn diese „Mitte“ nicht näher definierbar und messbar ist.
  • Ich glaube als Begleiter jedem Menschen (s)einen inneren Geist, aus dem heraus er sein Leben empfindet und gestaltet. Dieser „Geist“ ist nicht nur seine Rationalität und nicht nur bewusst, sondern auch unreflektiert im Menschen.

3. Menschen lassen die Begleiter auf narrative Weise an ihren inneren, also auch spirituellen Einstellungen teilhaben durch Lebenserzählungen und Identitäts-Inszenierungen. Darin ist also ihre Spiritualität „anzutreffen“.

  • Menschen zeigen etwas von ihrer Spiritualität im Begegnungsalltag viel häufiger implizit (eingewoben in Lebenserzählungen) als explizit (ausdrücklich gepflegte, strukturierte und benennbare Spiritualität).

4. Die Lebenserzählungen von Menschen sind symbolisch zu verstehen. D.h. sie stehen für die Bedeutung, die ein Mensch vor sich selbst hat, vor anderen hat, in der Welt hat und evtl. vor dem Heiligen (dem Höchsten, das es für ihn gibt).

5. Diese symbolisch zu verstehenden Äußerungen können auf vier Ebenen gelesen werden: der Sach-, der Gefühls-, der Identitäts- und der Spiritualitätsebene.

6. Symbole in diesem narrativen Sinn stehen für das Ganze des Lebens eines Menschen. Sie sind als seine Lebensdeutung zu verstehen, auch wenn nur Facetten seines Lebens vorgezeigt werden.

7. Symbole in obigem Sinn sind nicht eindimensional, rein sachlich oder rein gefühlsbezogen zu lesen. Sie enthalten vielmehr einen Raum von Bedeutungen, die der Patient selbst am besten kennt.

8. Menschen brauchen die Begleiter zur Sicherung ihrer Identität, gerade dann, wenn Momente ihrer Identität und ihre Existenz durch Krankheit und Sterben bedroht sind oder ganz wegfallen.

9. Jeder Mensch hat Ressourcen in sich, um seine Persönlichkeit zu sichern, auch wenn ihm diese Ressourcen nicht immer bewusst zur Verfügung stehen. Sie können mit Begleitern erhoben und für die Auseinandersetzung mit dem Schicksal genutzt werden.

10. Jedem Menschen ist etwas in seinem Dasein in der Welt „heilig“, d.h. er geht von etwas Wertvollem und Höchsten aus, auch wenn er dies nicht ganz einholen und einlösen kann.

11. Jeder Mensch hat seine Lebensleistung und seine Sinnkonstruktion, auch wenn seine Lebensvorstellungen nicht in Erfüllung gegangen sind.

12. Die explizite wie implizite Weise der Spiritualität ist bei jedem Menschen von ganz eigener Prägung, weil sie in sein Leben integriert ist. In der Begleitung geht es daher darum, die persönliche Spiritualität und Sinnerfahrung eines Menschen gelten zu lassen, sie nicht eigenmächtig zu interpretieren oder zur Erziehung und Belehrung zu nutzen.

13. Die Begleiter können bei allen Beziehungen und Problemgesprächen auf die Symbolkraft und das Auffangpotenzial ihrer Rolle vertrauen. Die Spiritualität hat ihre eigene Logik. Sie gibt auch dem Unlösbaren und Nichtmachbaren einen sinnvollen Platz in der Welt oder in der Transzendenz. Dies ermöglicht den Begleitern, auch dem Unlösbaren mit sinnvoller Praxis zu begegnen, auch wenn es keine Lösung gibt.

14. Die geistlichen Versorger kommen, wie jeder patientenbezogene Beruf, mit ihrer Rolle zum Patienten. Sie bringen dabei eine symbolische Rollenübertragung in die Beziehung zum Patienten ein. Seelsorge steht dabei für das Ganze des Lebens, für die Dimension „umfassender Sinn“ und für eine überweltliche Dimension. Diese Rollenübertragung kann der Patient für seine Auseinandersetzung mit letzten Fragen und letztem Sinn nutzen, die von Schicksal und Endlichkeit ausgelöst wird.