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Rituale am Ende der Sterbezeit (Zeit 1) & am Totenbett (Anfang Zeit 2)

Die folgenden Überlegungen basieren auf den Konzepten von Ruthmarijke Smeding Schleusenzeit® und „Triptychon der Trauer“

Einleitung: Warum ist eine Abschiedsgestaltung am Sterbe- bzw. Totenbett so wichtig?

  • Eine Angehörige sagt 15 Jahre nach der Verabschiedung ihres Vaters zum Seelsorger: „So etwas vergisst man nie“. Bis vor wenigen Jahren galten die Betroffenen „wie im Schock“, wie in Watte; da sei keine Hilfe möglich. Heute wissen wir, dass sie selektiv hochaufmerksam und zugleich hoch bedürftig sind.
  • Die Forschung (Weiser P (2003) Eine empirische Studie zu Trauerreaktionen. Vorstellung der Diplomarbeit beim Arbeitskreis der JGU Mainz) zeigt: Eine Verabschiedung ist enorm wichtig für die Trauerverarbeitung.
  • Was heute Abschiede oft erschwert: In Krankenhaus und Klinik tritt der Tod für viele Angehörige – subjektiv – „plötzlich“ ein. Alle haben gehofft … , man kann sich den Tod nicht vorstellen … .

Die Menschen können oft nicht mehr auf eine vertraute Sinnstruktur aus der Gemeinschaft zurückgreifen in ihrer Biografie; heute müssen Menschen „Sinn“ selbst generieren, in ihrem eigenen Inneren – und das bei existenziell höchster Beanspruchung.

Zudem können sie dann auf keine allgemein vertrauten Verhaltens- und Handlungsweisen und erst recht keine Rituale zurückgreifen.

  • Rituale geben „Sinn“, ohne ihn zu definieren: Sinn durch Gestaltung. Rituale geben Bedeutung und Würde, wenn Bedeutung und Würde durch Einbrüche ins Leben bedroht sind.
  • Rituale halten Existenz zusammen im Augenblick der Gefährdung und des Zerbrechens der Ordnung des Lebens. Sie geben Anschluss an das Schicksal aller Menschen. Die Menschheitsgemeinschaft ist dann virtuell anwesend; sie bietet an, was allen gilt, denen so etwas passiert. Die Helfer haben diese Rolle, Gestaltungen zu ermöglichen.
  • Der für die Betroffenen vielleicht wichtigste Aspekt: Sie können ihre ganze Spiritualität in Form ihrer Liebe und Verbundenheit in diese Gestaltung hineinlegen. Das Ritual ist dann ein höchst spiritueller Akt: Liebe, Verbundenheit, Anwesenheit etc. sind dann „Träger-Medien“ für Spiritualität.
  • „Jetzt ist es gut; jetzt kann kommen was will“ sagen Angehörige oft nach Krankensalbung und Sterbesegen.

Die Möglichkeit und Wichtigkeit eines Sterbesegens und von Abschiedsritualen sollte in Gemeinden und für die Pflegekräfte in Altenheimen besser bekannt gemacht werden.

Die Herausforderung heute: Rituale haben für viele Menschen keinen ihnen vertrauten Ablauf mehr. Der „richtige“ Ablauf wird dem Rollenträger zugetraut und anvertraut.

Daher ist wichtig:

  • welche Rolle die Person hat, die das Ritual anbietet
  • stimmige symbolische Handlungen
  • gute kommunikative „Füllung“ des Rituals

Die symbolische (nicht nur funktionelle) Rolle: Moderator, Zeuge, Menschheits-Repräsentant, RepräsentantIn der Ordnung des Lebens und der existenziellen Wahrheit dieser Lebenssituation.

Hineinführen: Was braucht es, damit alle Betroffenen äußerlich und vor allem innerlich „anwesend“ sind – als Hineinführung und zugleich Vorbereitung für die Durchführung?

Grundsätzlich gilt: Die Helfer sollten Patient und/oder Angehörige schon (lange) vor dem Ernstfall fragen: Was ist Ihnen wichtig, wenn es einmal so weit ist … ?

Vorbemerkung: Die folgende Skizze legt die Situation zugrunde, dass der Helfende ziemlich unvermittelt (Rufbereitschaft, überraschender Todeseintritt/finale Phase … ) mit der Situation konfrontiert wird und den Raum betritt. Diese Beschreibung lässt sich dann auch auf andere Situationen abgewandelt anwenden.

Zu einem möglichen Verlauf:

Hineinführen:

  • Vergewisserung vor der „Tür“: Ein kleiner Schritt für mich als Begleiter ist ein großer Moment für die Betroffenen.
  • Nach dem Eintritt: Verneigung vor dem Verstorbenen – kurze Stille
  • Mich vorstellen
  • Wenn nicht alle Anwesenden bekannt: sich die Angehörigen vorstellen lassen: „Und Sie sind … ?“ Versicherung ihrer Identität im Chaos
  • Versammeln, auch nach den Nichtanwesenden fragen. „Sie sind jetzt stellvertretend auch für die da.“ Oder: „Wenn wir jetzt hier … ,dann sind die auch mit dabei.“
  • Einen Kreis bilden? (nur, wenn es passt)
  • Beim Sterbesegen: Vergewisserung, wie nah am Tod (subjektiv!) jetzt alle sind: Ob sie noch voll Hoffnung sind, dass er/sie es noch schafft oder ob sie das Sterben akzeptieren können. Perspektive entsprechend offenlassen („… ist wohl am Ende seines Lebens angekommen“.)
  • Vorbereiten: Was ist Ihnen wichtig?

Wie evt. Kinder beteiligen?

Welche Symbole einbeziehen (Kerze[1], Blumen, auf Fotos verweisen: die sind jetzt auch mit dabei, Lieblingslied/-gebet, Musik, wohltuende Düfte, Zeichen auf dem Nachttisch/ im Zimmer wahrnehmen/ ansprechen)?

Beim Sterben, im Koma, auch beim Tod: „Er/sie hört uns noch, seine Seele ist noch in der Nähe, das „Schiff“ hat schon abgelegt, aber wir können noch etwas hinüberrufen“.

Fenster aufmachen? Wenn gut kommentiert: „Ich kenne den Brauch … „

Beim Pflegedienst: Fragen, ob sie die Augen schließen wollen oder ob man das für sie tun darf? Ebenso beim Waschen, Herrichten, Kinn Hochbinden …

Ziel: Einen „Spirituellen Raum“ ermöglichen.

  • Mich in diese Situation vortasten und damit zugleich den Angehörigen Gelegenheit geben, sich selbst durch Erzählen in die Situation vorzutasten:

Frage nach der Todesgeschichte („dass es jetzt doch so schnell ging“ … )

Sterbegeschichte aufrufen: „Hat er es noch schwer gehabt“ „Hat er es geahnt … ?“ Wie waren die letzten Tage für ihn/sie? – Wie waren die letzten Tage/ Wochen für Sie als Familie .. ?

Krankheitsgeschichte: Wie kam es zu diesem Verlauf? Wie hat er /sie es immer wieder geschafft? – Wie war das für Sie die ganze Zeit?

Lebens- und Beziehungs- Geschichte: Beruf, woher, wie lange gehören Sie schon zusammen? Da haben Sie aber viel miteinander erlebt/geschafft?

Das Erzählen ist wichtig (gg. Ohnmacht/Schock/Desorientierung, Schuldgefühle) auch wenn vieles dem Helfenden schon bekannt ist. Damit wird das „Schatzkästchen“ gefüllt, aus dem man manches im Ritual aufrufen kann.

(Hin-)durchführen: Mit welchen Elementen soll jetzt gestaltet werden? Was ist mein „Kernsymbol/meine Kernhandlung“?

Dies ist oft eine „Heilige Zeit“, ein Augenblick des Friedens“!

  • „Ich möchte mit Ihnen jetzt den Abschied begehen … „
  • Wendung zum Patienten, Verneigung, kleine Berührung ..
  • Patienten/Verstorbenen ansprechen („Seine Seele ist noch in der Nähe …“)

„Herr/Frau … hier sind anwesend … jetzt haben wir vieles aus Ihrem Leben erzählt … , Sie hatten es nicht leicht die letzte Zeit, Sie waren gefasst … darauf vorbereitet … , es war sehr schwer für Sie und jetzt dürfen Sie gehen … .“

„Gott, wir sind hier versammelt am Bett von … , seine Familie ist hier, auch die Enkel … .“

  • Kerze anzünden (Wer hält sie?)
  • „Jeder verbindet hier sicher viele Gedanken/Erinnerungen mit … „
  • „Es gibt sicher unendlich viel zu danken … „
  • Evt. „War es auch manchmal nicht so einfach?“
  • „Vielleicht möchten Sie auch um Verzeihung bitten … ihm/ihr verzeihen?“
  • „Möchten Sie ihm/ihr noch etwas sagen, was man in einer solchen Stunde sagt?“ „Was ich dir noch sagen wollte … .“ (das kann in Verbindung mit einer Geste zum Kernsymbol werden)

(Je nach Vertrautheit/Rolle: „Sie können es auch gerne aussprechen oder still für sich tun“)

  • „Sie haben vorhin erzählt, dass seine Tochter früh verstorben ist und er sehr darunter gelitten hat … dort oben wird er sie sicher wiedersehen … „
  • Etwas aus der „Schatzkiste“ erinnern …. , bei Gott/vom Himmel her für uns da sein ….
  • Ein Gedicht vorlesen aus eigener kleiner Sammlung
  • „Vielleicht hören wir noch etwas, was er uns herüberruft …?“
  • Evt. Gebet: „Worum sollen wir beten?“ (Dann: Nichtseelsorger eher ein Formelgebet, z.B. das „Menschheitsgebet“:“ Vater unser“; oder einfach „Gott mach´s gut mit ihm/ihr“)
  • Einladung zu einer „letzten“ (es werden noch viele weitere folgen) Geste: Kreuzzeichen, Berührung, Kuss, etwas ins Ohr sagen, ein Zeichen der Liebe …
  • Ein Segenszeichen („Es gibt eine Zeit, da segnen die Eltern/die Mutter/Vater … die Kinder. Und es kommt eine Zeit, da segnen die Kinder/Enkel die Eltern/Großeltern …“
  • Irisches Segensgebet?
  • Als Pflegende/Hospizbegleiter/Sozialarbeit … : Wofür ich Ihnen danke in der Zeit der Betreuung … . „Ich entlasse Sie jetzt aus meiner Fürsorge/Begleitung und wünsche Ihnen Frieden … / und übergebe Sie in die Hand Gottes / und übergebe Sie in andere Hände … .“
  • Ein kurzes Wort der Wertschätzung für die Angehörigen (Mithilfe bei der Pflege, regelmäßigen Besuch, schnelles Kommen, liebevolles Mittragen dieser schwierigen Zeit … )

Das Ziel: Ein „gutes“ (nicht verklärendes, schönredendes) Bild ermöglichen, das in die Trauerzeit mitgehen kann.

Hinausführen: Woran ist zu denken, damit alle am Ende gut gehen können und sie eine „gute“ Erfahrung in sich mitnehmen können?

  • Kerze ausblasen[2] und ihnen mitgeben
  • Letztes Bild verankern: Im Blick auf das Gesicht des Verstorbenen: „Es ist jetzt viel Frieden in seinem Gesicht/ sie hat viel kämpfen müssen, man sieht es ihr noch an/ es sieht aus, als würde er schlafen (Nicht im Beisein von Kindern)/ es sieht aus, als würde er lächeln) … .“ und dann: „Wie sehen Sie es?“
  • Eine kurze Stille mit Blick auf den Verstorbenen
  • Eine letzte Berührung/Geste
  • Bei Sterbendem im Koma: „Er/sie spürt Ihr Dasein/Ihre Verbundenheit. In dieser Verbundenheit kann er/sie gut gehen, wenn die Zeit für ihn/sie da ist. Auch wenn Sie jetzt nach Hause fahren…. Sie können aber auch noch dableiben.“
  • Als Begleiter aus dem Kreis heraustreten „Jetzt ist Ihre Zeit. Ich verabschiede mich.“
  • „Sie müssen nicht sofort den Bestatter holen …. .“
  • (Klinik:) „Wie kommen Sie jetzt nach Hause?“ „Wer ist heute Nacht/ morgen/ die kommende Zeit für Sie da?“
  • „Ich mache Ihnen noch einen Kaffee/hole etwas zu trinken“ (= Zugehörigkeit zum Leben)
  • (Später beim „Aufräumen:) „Darf ich Ihnen beim Einpacken helfen …“

Was fehlt unter den Bedingungen bei „Corona“?

d. h. wenn kein direkter Kontakt möglich?

Rolle der beruflich Anwesenden

Anwalt für psychosoziale und spiritual Care

Zeuge, Stellvertreter, Vermittler, Delegierter

Vorschläge für die Angehörigen machen, damit sie auf Ideen kommen (als Professio-

neller)

Wie wirkt sich der fehlende Kontakt auf die Trauer aus?

  • Die Angehörigen können ihr Wertvollstes, ihre Spiritualität in Form ihrer Liebe nicht aktivieren
  • Es entsteht eine Leerstelle für die Trauerzeit
  • Evt. Schuldgefühle
  • „Trittsteine“ können kaum entstehen[3] (z.B. öffentliches, gesellschaftliches, kirchliches Ritual)
  • Kaum Sinnliches, Körperliches
  • Bleiben ihrer Phantasie überlassen
  • In existenziell bedeutsamer Situation allein gelassen sein

Keine gemeinschaftlichen Sinnquellen

Keine Handlungsmöglichkeiten/vertrauten Rituale

Mit existenziellen Fragen allein sein

Kein symbolischer Raum, kein gegenseitiges Vermächtnis

  • Später traumatische Erinnerungen an diese Tage/Wochen der Ohnmacht/Hilflosigkeit/inneren Spannung

Daher die Aufgabe, symbolisch Stellvertretendes/Überbrückendes/Sinnliches zu ermöglichen. Entscheidend: „Beziehung“ ermöglichen als Verbundenheit über den Abstand hinweg.

Vorbereitung:

  • Telefonische Verbindung mit Angehörigen
  • Bei Erstkontakt mit gerade eingeliefertem Patienten: „Wie sind Sie jetzt hierhergekommen? Was mussten Sie zurücklassen?“ (= Verlust und zugleich Ressource) Bild, Symbol, Erzählen
  • „Was ist Ihnen jetzt am meisten wichtig?“
  • „Haben Sie eine spirituelle oder religiöse Einstellung?“
  • „Was wäre Ihnen wichtig, wenn Sie jetzt zu Hause wären?“
  • Bei Kontakt mit Angehörigen: „Was wäre Ihnen wichtig, wenn das Schlimmste eintreten würde – das muss es nicht, aber … ?“
  • „Was hätten Sie gerne noch gesagt, getan? Kann das auch noch durch Vermittlung gesagt, getan werden?“ (+ Zeit anbieten, zurückrufen, damit man etwas überlegen kann, so was hat es nie gegeben!)

Hineinführen:

  1. Wenn Ritual getrennt vom Patienten (z.B. in der Kapelle)
  • „Versammlung“: wer gehört alles dazu?
  • In uns Verbundenheit herstellen/spüren: „Vielleicht kann er/sie diese Verbundenheit spüren ….“
  • „Wie waren die letzten Tage für Sie?“ Dann: Lebens- und Beziehungsgeschichte aufrufen
  • Symbole „laden“: Lied, Musik, Text, Foto machen, Symbol von daheim, Schrifttext, Psalmwort (Ps. 23)
  • Gebet: „worum sollen wir beten?“ Gebet um eine gute Zukunft trotz des Schlimmen: „Was wäre das Beste für ihn/sie, auch wenn sich die Krankheit nicht aufhalten lässt (z.B. Luftnot )“
  1. Wenn Begleiter zuerst beim Patienten war (weil plötzlich sehr kritisch, weil verstorben) und jetzt die Angehörigen trifft:
  • Erzählen, was mit ihm kommuniziert wurde
  • Foto mitbringen
  • Symbol von ihm mitbringen/zeigen
  • Was wurde gebetet, so, dass sie auch darin vorkommen
  • Mit welcher Geste verabschiedet (=modellhaft: „Das habe ich auch für Sie gemacht! (Stellvertretung aufnehmen)
  • „Was hätten Sie gerne noch gesagt/getan – mit welcher Geste?“ (still)
  • Welches Segenswort/Schriftwort

Hindurchführen (Stellvertretend präsent sein)

  1. Beim Patienten
  • Jemand, der filmt?
  • Wen ich alles mitbringe
  • „vieles von Ihnen erzählt…“
  • „Was sie Ihnen noch sagen wollten…“ / Brief vorlesen, Brief hinterlegen, Handy-Aufnahme ans Ohr legen
  • Wünsche der Angehörigen (zum Sterben, zum Überleben?)
  • Text/Lied/Gebet/Gedicht von den Angehörigen vorlesen
  • Digitales Bild mitbringen (relig. Bild, Blume, Bild von Angehörigen… )
  • Segenswort/-geste /Handauflegung
  • Kerze: „Die hatten Ihre … in Händen, hat bei … gebrannt“ (auch: elektronisches Teelicht—kann desinfiziert)
  • Schutz- und Begleitsymbol (Medaillon, rel. Zeichen), das über die Todeszeit bei ihm bleiben soll

2. Wenn mit Angehörigen (z.B. in der Kapelle):

  • Wie beim „Hindurchführen“ s. o.
  • Erinnern, was Sie alles für ihn/ sie getan haben, würdigen
  • Symbol segnen, das später zum Patienten gebracht wird
  • Schutzsymbol, das Gottes Schutz trägt
  • Ausführlicher Segen (Einiges aus der „Schatzkiste“ aufgreifen)
  • Ein Wort von ihm „hören“, Verzeihen …
  • „Nehmen Sie ein Bild von ihm/ihr und sagen Sie ihm/ihr alles, was Ihnen jetzt wichtig ist“ (Auch per Smartphone überbringen; auch bei Koma/ Tod)
  • Eine virtuelle Geste

Hinausführen: Ein gutes „Bild“ hinterlassen

  • In uns Verbundenheit spüren, in der er/sie gut gehen kann, er sich begleitet wissen kann
  • Letztes „Bild“ vom Verstorbenen (Foto oder von seinem Aussehen erzählen)
  • Kerze mitgeben … Symbol mitgeben …
  • Angehörige wertschätzen …
  • „Wer ist für Sie da die nächste Zeit?“

Schussbemerkung: Dies alles sind Anregungen und Beispiele, aus denen der Begleiter auswählen muss. Von allem nicht zu viel! Es geht nicht um viele Worte, sondern um Stimmigkeit und um darauf zu achten, dass desinfizieren möglich ist.

(Erhard Weiher im Austausch mit Rm. Smeding)

Anhang: Wer hat welche Autorität, ein Ritual anzubieten / zu gestalten?

Als Begleiter/Versorgende sind wir nicht privat am Sterbebett oder Totenbett.

Wer hat da welche Rolle und welche Kompetenz?

„Rolle“ hat drei Komponenten:

  • Rolle als soziale / institutionelle Vereinbarung
  • Rolle als funktionelle Beauftragung / funktionelles Handeln
  • Rolle als symbolische Repräsentanz

„Kompetenz“ hat zwei Bedeutungen:

  • Zuständigkeit in einem professionellen Setting
  • Fähigkeit (z.B. zertifiziert): Haltung, Wissen, Fertigkeiten, Lebens- und Berufserfahrung

Seelsorge:

  • Beauftragung: kirchlich, Glaubensgemeinschaft
  • Vertreter des Heiligen / Transzendenten
  • Zugleich menschheitliche und soziale Rolle: Vertreter der Gemeinschaft, „Vertrauensintermediäre“ (S. Peng Keller/U. Zürich)
  • Rolle hat (noch) klare Konturen für Existenzielles / Spirituelles / Persönliches
  • Ritual als „Gefäß“ für existenzielle, spirituelle, religiöse Dimension (explizit)
  • Zuständigkeit (primär) qua Amt (gilt das auch noch in Zukunft bei weiterem Bedeutungsverlust organisierter Religion?)

Pflege, Ärzte, Sozialarbeit etc.:

  • Beauftragung: durch Institution und Fachrolle
  • Vertreter (Symbolrolle) der Menschheit, Zeuge des Schicksals von Menschen, Vertreter einer existenziellen Wahrheit/Wirklichkeit
  • Rolle hat qua Fachberuf klare Konturen für Existenzielles /Persönliches
  • Ritual als „Gefäß“ für Existenzielles / Schicksal / Krankheit / Sterben / Tod – anthropologisch(!)
  • Zuständigkeit für Existenzielles sekundär – qua Fachberuf

Hospizbegleiter / Ehrenamtliche (sofern sie nicht explizit seelsorglich befähigt und kirchlich beauftragt sind):

  • Beauftragung: durch gesellschaftlich anerkannte Einrichtung /Verband
  • Vertreter der Menschheitsgemeinschaft, Zeuge für das Schicksal von Menschen
  • Rolle hat bei persönlichen / existenziellen Themen weniger klare Konturen, beruht auf Vertrautheit und evt. gemeinsamer Begleitgeschichte
  • Ritual als „Gefäß“ für menschheitliche Ereignisse / Lebenssituationen
  • Kompetenz: durch geschulte Fähigkeit, Persönlichkeit, reflektierte Lebenserfahrung
  • Zuständigkeit: durch soziale Vereinbarung /Anerkennung; qua soziales / menschheitliches Engagement im hospizlichen Kontext.

(© Erhard Weiher, 2021)

  1. Das kann auch ein elektrisches Teelicht sein, dort wo Kerzen, z.B. im Krankenhaus, verboten sind…
  2. Oder auch ausknipsen, bei elektronische Kerzen im Krankenhaus
  3. Man kann „Trittsteine“ nicht legen für die Angehörigen, nur ihre Entstehung ermöglichen, dem Entstehen von Stolpersteinen vorbeugen. In diesem Sinne ist auch Stellvertretung—Trittstein sein—eine wichtige Funktion!

Rituale am Ende der Sterbezeit (Zeit 1)

&

am Totenbett (Anfang Zeit 2)

Die folgenden Überlegungen basieren auf den Konzepten von Ruthmarijke Smeding Schleusenzeit® und „Triptychon der Trauer“

Einleitung: Warum ist eine Abschiedsgestaltung am Sterbe- bzw. Totenbett so wichtig?

  • Eine Angehörige sagt 15 Jahre nach der Verabschiedung ihres Vaters zum Seelsorger: „So etwas vergisst man nie“. Bis vor wenigen Jahren galten die Betroffenen „wie im Schock“, wie in Watte; da sei keine Hilfe möglich. Heute wissen wir, dass sie selektiv hochaufmerksam und zugleich hoch bedürftig sind.
  • Die Forschung (Weiser P (2003) Eine empirische Studie zu Trauerreaktionen. Vorstellung der Diplomarbeit beim Arbeitskreis der JGU Mainz) zeigt: Eine Verabschiedung ist enorm wichtig für die Trauerverarbeitung.
  • Was heute Abschiede oft erschwert: In Krankenhaus und Klinik tritt der Tod für viele Angehörige – subjektiv – „plötzlich“ ein. Alle haben gehofft … , man kann sich den Tod nicht vorstellen … .

Die Menschen können oft nicht mehr auf eine vertraute Sinnstruktur aus der Gemeinschaft zurückgreifen in ihrer Biografie; heute müssen Menschen „Sinn“ selbst generieren, in ihrem eigenen Inneren – und das bei existenziell höchster Beanspruchung.

Zudem können sie dann auf keine allgemein vertrauten Verhaltens- und Handlungsweisen und erst recht keine Rituale zurückgreifen.

  • Rituale geben „Sinn“, ohne ihn zu definieren: Sinn durch Gestaltung. Rituale geben Bedeutung und Würde, wenn Bedeutung und Würde durch Einbrüche ins Leben bedroht sind.
  • Rituale halten Existenz zusammen im Augenblick der Gefährdung und des Zerbrechens der Ordnung des Lebens. Sie geben Anschluss an das Schicksal aller Menschen. Die Menschheitsgemeinschaft ist dann virtuell anwesend; sie bietet an, was allen gilt, denen so etwas passiert. Die Helfer haben diese Rolle, Gestaltungen zu ermöglichen.
  • Der für die Betroffenen vielleicht wichtigste Aspekt: Sie können ihre ganze Spiritualität in Form ihrer Liebe und Verbundenheit in diese Gestaltung hineinlegen. Das Ritual ist dann ein höchst spiritueller Akt: Liebe, Verbundenheit, Anwesenheit etc. sind dann „Träger-Medien“ für Spiritualität.
  • „Jetzt ist es gut; jetzt kann kommen was will“ sagen Angehörige oft nach Krankensalbung und Sterbesegen.

Die Möglichkeit und Wichtigkeit eines Sterbesegens und von Abschiedsritualen sollte in Gemeinden und für die Pflegekräfte in Altenheimen besser bekannt gemacht werden.

Die Herausforderung heute: Rituale haben für viele Menschen keinen ihnen vertrauten Ablauf mehr. Der „richtige“ Ablauf wird dem Rollenträger zugetraut und anvertraut.

Daher ist wichtig:

  • welche Rolle die Person hat, die das Ritual anbietet
  • stimmige symbolische Handlungen
  • gute kommunikative „Füllung“ des Rituals

Die symbolische (nicht nur funktionelle) Rolle: Moderator, Zeuge, Menschheits-Repräsentant, RepräsentantIn der Ordnung des Lebens und der existenziellen Wahrheit dieser Lebenssituation.

Hineinführen: Was braucht es, damit alle Betroffenen äußerlich und vor allem innerlich „anwesend“ sind – als Hineinführung und zugleich Vorbereitung für die Durchführung?

Grundsätzlich gilt: Die Helfer sollten Patient und/oder Angehörige schon (lange) vor dem Ernstfall fragen: Was ist Ihnen wichtig, wenn es einmal so weit ist … ?

Vorbemerkung: Die folgende Skizze legt die Situation zugrunde, dass der Helfende ziemlich unvermittelt (Rufbereitschaft, überraschender Todeseintritt/finale Phase … ) mit der Situation konfrontiert wird und den Raum betritt. Diese Beschreibung lässt sich dann auch auf andere Situationen abgewandelt anwenden.

Zu einem möglichen Verlauf:

Hineinführen:

  • Vergewisserung vor der „Tür“: Ein kleiner Schritt für mich als Begleiter ist ein großer Moment für die Betroffenen.
  • Nach dem Eintritt: Verneigung vor dem Verstorbenen – kurze Stille
  • Mich vorstellen
  • Wenn nicht alle Anwesenden bekannt: sich die Angehörigen vorstellen lassen: „Und Sie sind … ?“ Versicherung ihrer Identität im Chaos
  • Versammeln, auch nach den Nichtanwesenden fragen. „Sie sind jetzt stellvertretend auch für die da.“ Oder: „Wenn wir jetzt hier … ,dann sind die auch mit dabei.“
  • Einen Kreis bilden? (nur, wenn es passt)
  • Beim Sterbesegen: Vergewisserung, wie nah am Tod (subjektiv!) jetzt alle sind: Ob sie noch voll Hoffnung sind, dass er/sie es noch schafft oder ob sie das Sterben akzeptieren können. Perspektive entsprechend offenlassen („… ist wohl am Ende seines Lebens angekommen“.)
  • Vorbereiten: Was ist Ihnen wichtig?

Wie evt. Kinder beteiligen?

Welche Symbole einbeziehen (Kerze[1], Blumen, auf Fotos verweisen: die sind jetzt auch mit dabei, Lieblingslied/-gebet, Musik, wohltuende Düfte, Zeichen auf dem Nachttisch/ im Zimmer wahrnehmen/ ansprechen)?

Beim Sterben, im Koma, auch beim Tod: „Er/sie hört uns noch, seine Seele ist noch in der Nähe, das „Schiff“ hat schon abgelegt, aber wir können noch etwas hinüberrufen“.

Fenster aufmachen? Wenn gut kommentiert: „Ich kenne den Brauch … „

Beim Pflegedienst: Fragen, ob sie die Augen schließen wollen oder ob man das für sie tun darf? Ebenso beim Waschen, Herrichten, Kinn Hochbinden …

Ziel: Einen „Spirituellen Raum“ ermöglichen.

  • Mich in diese Situation vortasten und damit zugleich den Angehörigen Gelegenheit geben, sich selbst durch Erzählen in die Situation vorzutasten:

Frage nach der Todesgeschichte („dass es jetzt doch so schnell ging“ … )

Sterbegeschichte aufrufen: „Hat er es noch schwer gehabt“ „Hat er es geahnt … ?“ Wie waren die letzten Tage für ihn/sie? – Wie waren die letzten Tage/ Wochen für Sie als Familie .. ?

Krankheitsgeschichte: Wie kam es zu diesem Verlauf? Wie hat er /sie es immer wieder geschafft? – Wie war das für Sie die ganze Zeit?

Lebens- und Beziehungs- Geschichte: Beruf, woher, wie lange gehören Sie schon zusammen? Da haben Sie aber viel miteinander erlebt/geschafft?

Das Erzählen ist wichtig (gg. Ohnmacht/Schock/Desorientierung, Schuldgefühle) auch wenn vieles dem Helfenden schon bekannt ist. Damit wird das „Schatzkästchen“ gefüllt, aus dem man manches im Ritual aufrufen kann.

(Hin-)durchführen: Mit welchen Elementen soll jetzt gestaltet werden? Was ist mein „Kernsymbol/meine Kernhandlung“?

Dies ist oft eine „Heilige Zeit“, ein Augenblick des Friedens“!

  • „Ich möchte mit Ihnen jetzt den Abschied begehen … „
  • Wendung zum Patienten, Verneigung, kleine Berührung ..
  • Patienten/Verstorbenen ansprechen („Seine Seele ist noch in der Nähe …“)

„Herr/Frau … hier sind anwesend … jetzt haben wir vieles aus Ihrem Leben erzählt … , Sie hatten es nicht leicht die letzte Zeit, Sie waren gefasst … darauf vorbereitet … , es war sehr schwer für Sie und jetzt dürfen Sie gehen … .“

„Gott, wir sind hier versammelt am Bett von … , seine Familie ist hier, auch die Enkel … .“

  • Kerze anzünden (Wer hält sie?)
  • „Jeder verbindet hier sicher viele Gedanken/Erinnerungen mit … „
  • „Es gibt sicher unendlich viel zu danken … „
  • Evt. „War es auch manchmal nicht so einfach?“
  • „Vielleicht möchten Sie auch um Verzeihung bitten … ihm/ihr verzeihen?“
  • „Möchten Sie ihm/ihr noch etwas sagen, was man in einer solchen Stunde sagt?“ „Was ich dir noch sagen wollte … .“ (das kann in Verbindung mit einer Geste zum Kernsymbol werden)

(Je nach Vertrautheit/Rolle: „Sie können es auch gerne aussprechen oder still für sich tun“)

  • „Sie haben vorhin erzählt, dass seine Tochter früh verstorben ist und er sehr darunter gelitten hat … dort oben wird er sie sicher wiedersehen … „
  • Etwas aus der „Schatzkiste“ erinnern …. , bei Gott/vom Himmel her für uns da sein ….
  • Ein Gedicht vorlesen aus eigener kleiner Sammlung
  • „Vielleicht hören wir noch etwas, was er uns herüberruft …?“
  • Evt. Gebet: „Worum sollen wir beten?“ (Dann: Nichtseelsorger eher ein Formelgebet, z.B. das „Menschheitsgebet“:“ Vater unser“; oder einfach „Gott mach´s gut mit ihm/ihr“)
  • Einladung zu einer „letzten“ (es werden noch viele weitere folgen) Geste: Kreuzzeichen, Berührung, Kuss, etwas ins Ohr sagen, ein Zeichen der Liebe …
  • Ein Segenszeichen („Es gibt eine Zeit, da segnen die Eltern/die Mutter/Vater … die Kinder. Und es kommt eine Zeit, da segnen die Kinder/Enkel die Eltern/Großeltern …“
  • Irisches Segensgebet?
  • Als Pflegende/Hospizbegleiter/Sozialarbeit … : Wofür ich Ihnen danke in der Zeit der Betreuung … . „Ich entlasse Sie jetzt aus meiner Fürsorge/Begleitung und wünsche Ihnen Frieden … / und übergebe Sie in die Hand Gottes / und übergebe Sie in andere Hände … .“
  • Ein kurzes Wort der Wertschätzung für die Angehörigen (Mithilfe bei der Pflege, regelmäßigen Besuch, schnelles Kommen, liebevolles Mittragen dieser schwierigen Zeit … )

Das Ziel: Ein „gutes“ (nicht verklärendes, schönredendes) Bild ermöglichen, das in die Trauerzeit mitgehen kann.

Hinausführen: Woran ist zu denken, damit alle am Ende gut gehen können und sie eine „gute“ Erfahrung in sich mitnehmen können?

  • Kerze ausblasen[2] und ihnen mitgeben
  • Letztes Bild verankern: Im Blick auf das Gesicht des Verstorbenen: „Es ist jetzt viel Frieden in seinem Gesicht/ sie hat viel kämpfen müssen, man sieht es ihr noch an/ es sieht aus, als würde er schlafen (Nicht im Beisein von Kindern)/ es sieht aus, als würde er lächeln) … .“ und dann: „Wie sehen Sie es?“
  • Eine kurze Stille mit Blick auf den Verstorbenen
  • Eine letzte Berührung/Geste
  • Bei Sterbendem im Koma: „Er/sie spürt Ihr Dasein/Ihre Verbundenheit. In dieser Verbundenheit kann er/sie gut gehen, wenn die Zeit für ihn/sie da ist. Auch wenn Sie jetzt nach Hause fahren…. Sie können aber auch noch dableiben.“
  • Als Begleiter aus dem Kreis heraustreten „Jetzt ist Ihre Zeit. Ich verabschiede mich.“
  • „Sie müssen nicht sofort den Bestatter holen …. .“
  • (Klinik:) „Wie kommen Sie jetzt nach Hause?“ „Wer ist heute Nacht/ morgen/ die kommende Zeit für Sie da?“
  • „Ich mache Ihnen noch einen Kaffee/hole etwas zu trinken“ (= Zugehörigkeit zum Leben)
  • (Später beim „Aufräumen:) „Darf ich Ihnen beim Einpacken helfen …“

Was fehlt bei „Corona“?

d. h. wenn kein direkter Kontakt möglich?

Rolle der beruflich Anwesenden

Anwalt für psychosoziale und spiritual Care

Zeuge, Stellvertreter, Vermittler, Delegierter

Vorschläge für die Angehörigen machen, damit sie auf Ideen kommen (als Professio-

neller)

Wie wirkt sich der fehlende Kontakt auf die Trauer aus?

  • Die Angehörigen können ihr Wertvollstes, ihre Spiritualität in Form ihrer Liebe nicht aktivieren
  • Es entsteht eine Leerstelle für die Trauerzeit
  • Evt. Schuldgefühle
  • „Trittsteine“ können kaum entstehen[3] (z.B. öffentliches, gesellschaftliches, kirchliches Ritual)
  • Kaum Sinnliches, Körperliches
  • Bleiben ihrer Phantasie überlassen
  • In existenziell bedeutsamer Situation allein gelassen sein

Keine gemeinschaftlichen Sinnquellen

Keine Handlungsmöglichkeiten/vertrauten Rituale

Mit existenziellen Fragen allein sein

Kein symbolischer Raum, kein gegenseitiges Vermächtnis

  • Später traumatische Erinnerungen an diese Tage/Wochen der Ohnmacht/Hilflosigkeit/inneren Spannung

Daher die Aufgabe, symbolisch Stellvertretendes/Überbrückendes/Sinnliches zu ermöglichen. Entscheidend: „Beziehung“ ermöglichen als Verbundenheit über den Abstand hinweg.

Vorbereitung:

  • Telefonische Verbindung mit Angehörigen
  • Bei Erstkontakt mit gerade eingeliefertem Patienten: „Wie sind Sie jetzt hierhergekommen? Was mussten Sie zurücklassen?“ (= Verlust und zugleich Ressource) Bild, Symbol, Erzählen
  • „Was ist Ihnen jetzt am meisten wichtig?“
  • „Haben Sie eine spirituelle oder religiöse Einstellung?“
  • „Was wäre Ihnen wichtig, wenn Sie jetzt zu Hause wären?“
  • Bei Kontakt mit Angehörigen: „Was wäre Ihnen wichtig, wenn das Schlimmste eintreten würde – das muss es nicht, aber … ?“
  • „Was hätten Sie gerne noch gesagt, getan? Kann das auch noch durch Vermittlung gesagt, getan werden?“ (+ Zeit anbieten, zurückrufen, damit man etwas überlegen kann, so was hat es nie gegeben!)

Hineinführen:

  1. Wenn Ritual getrennt vom Patienten (z.B. in der Kapelle)
  • „Versammlung“: wer gehört alles dazu?
  • In uns Verbundenheit herstellen/spüren: „Vielleicht kann er/sie diese Verbundenheit spüren ….“
  • „Wie waren die letzten Tage für Sie?“ Dann: Lebens- und Beziehungsgeschichte aufrufen
  • Symbole „laden“: Lied, Musik, Text, Foto machen, Symbol von daheim, Schrifttext, Psalmwort (Ps. 23)
  • Gebet: „worum sollen wir beten?“ Gebet um eine gute Zukunft trotz des Schlimmen: „Was wäre das Beste für ihn/sie, auch wenn sich die Krankheit nicht aufhalten lässt (z.B. Luftnot )“
  1. Wenn Begleiter zuerst beim Patienten war (weil plötzlich sehr kritisch, weil verstorben) und jetzt die Angehörigen trifft:
  • Erzählen, was mit ihm kommuniziert wurde
  • Foto mitbringen
  • Symbol von ihm mitbringen/zeigen
  • Was wurde gebetet, so, dass sie auch darin vorkommen
  • Mit welcher Geste verabschiedet (=modellhaft: „Das habe ich auch für Sie gemacht! (Stellvertretung aufnehmen)
  • „Was hätten Sie gerne noch gesagt/getan – mit welcher Geste?“ (still)
  • Welches Segenswort/Schriftwort

Hindurchführen (Stellvertretend präsent sein)

  1. Beim Patienten
  • Jemand, der filmt?
  • Wen ich alles mitbringe
  • „vieles von Ihnen erzählt…“
  • „Was sie Ihnen noch sagen wollten…“ / Brief vorlesen, Brief hinterlegen, Handy-Aufnahme ans Ohr legen
  • Wünsche der Angehörigen (zum Sterben, zum Überleben?)
  • Text/Lied/Gebet/Gedicht von den Angehörigen vorlesen
  • Digitales Bild mitbringen (relig. Bild, Blume, Bild von Angehörigen… )
  • Segenswort/-geste /Handauflegung
  • Kerze: „Die hatten Ihre … in Händen, hat bei … gebrannt“ (auch: elektronisches Teelicht—kann desinfiziert)
  • Schutz- und Begleitsymbol (Medaillon, rel. Zeichen), das über die Todeszeit bei ihm bleiben soll

2. Wenn mit Angehörigen (z.B. in der Kapelle):

  • Wie beim „Hindurchführen“ s. o.
  • Erinnern, was Sie alles für ihn/ sie getan haben, würdigen
  • Symbol segnen, das später zum Patienten gebracht wird
  • Schutzsymbol, das Gottes Schutz trägt
  • Ausführlicher Segen (Einiges aus der „Schatzkiste“ aufgreifen)
  • Ein Wort von ihm „hören“, Verzeihen …
  • „Nehmen Sie ein Bild von ihm/ihr und sagen Sie ihm/ihr alles, was Ihnen jetzt wichtig ist“ (Auch per Smartphone überbringen; auch bei Koma/ Tod)
  • Eine virtuelle Geste

Hinausführen: Ein gutes „Bild“ hinterlassen

  • In uns Verbundenheit spüren, in der er/sie gut gehen kann, er sich begleitet wissen kann
  • Letztes „Bild“ vom Verstorbenen (Foto oder von seinem Aussehen erzählen)
  • Kerze mitgeben … Symbol mitgeben …
  • Angehörige wertschätzen …
  • „Wer ist für Sie da die nächste Zeit?“

Schussbemerkung: Dies alles sind Anregungen und Beispiele, aus denen der Begleiter auswählen muss. Von allem nicht zu viel! Es geht nicht um viele Worte, sondern um Stimmigkeit und um darauf zu achten, dass desinfizieren möglich ist.

(Erhard Weiher im Austausch mit Rm. Smeding)

Anhang: Wer hat welche Autorität, ein Ritual anzubieten / zu gestalten?

Als Begleiter/Versorgende sind wir nicht privat am Sterbebett oder Totenbett.

Wer hat da welche Rolle und welche Kompetenz?

„Rolle“ hat drei Komponenten:

  • Rolle als soziale / institutionelle Vereinbarung
  • Rolle als funktionelle Beauftragung / funktionelles Handeln
  • Rolle als symbolische Repräsentanz

„Kompetenz“ hat zwei Bedeutungen:

  • Zuständigkeit in einem professionellen Setting
  • Fähigkeit (z.B. zertifiziert): Haltung, Wissen, Fertigkeiten, Lebens- und Berufserfahrung

Seelsorge:

  • Beauftragung: kirchlich, Glaubensgemeinschaft
  • Vertreter des Heiligen / Transzendenten
  • Zugleich menschheitliche und soziale Rolle: Vertreter der Gemeinschaft, „Vertrauensintermediäre“ (S. Peng Keller/U. Zürich)
  • Rolle hat (noch) klare Konturen für Existenzielles / Spirituelles / Persönliches
  • Ritual als „Gefäß“ für existenzielle, spirituelle, religiöse Dimension (explizit)
  • Zuständigkeit (primär) qua Amt (gilt das auch noch in Zukunft bei weiterem Bedeutungsverlust organisierter Religion?)

Pflege, Ärzte, Sozialarbeit etc.:

  • Beauftragung: durch Institution und Fachrolle
  • Vertreter (Symbolrolle) der Menschheit, Zeuge des Schicksals von Menschen, Vertreter einer existenziellen Wahrheit/Wirklichkeit
  • Rolle hat qua Fachberuf klare Konturen für Existenzielles /Persönliches
  • Ritual als „Gefäß“ für Existenzielles / Schicksal / Krankheit / Sterben / Tod – anthropologisch(!)
  • Zuständigkeit für Existenzielles sekundär – qua Fachberuf

Hospizbegleiter / Ehrenamtliche (sofern sie nicht explizit seelsorglich befähigt und kirchlich beauftragt sind):

  • Beauftragung: durch gesellschaftlich anerkannte Einrichtung /Verband
  • Vertreter der Menschheitsgemeinschaft, Zeuge für das Schicksal von Menschen
  • Rolle hat bei persönlichen / existenziellen Themen weniger klare Konturen, beruht auf Vertrautheit und evt. gemeinsamer Begleitgeschichte
  • Ritual als „Gefäß“ für menschheitliche Ereignisse / Lebenssituationen
  • Kompetenz: durch geschulte Fähigkeit, Persönlichkeit, reflektierte Lebenserfahrung
  • Zuständigkeit: durch soziale Vereinbarung /Anerkennung; qua soziales / menschheitliches Engagement im hospizlichen Kontext.

(© Erhard Weiher, 2021)

  1. Das kann auch ein elektrisches Teelicht sein, dort wo Kerzen, z.B. im Krankenhaus, verboten sind…
  2. Oder auch ausknipsen, bei elektronische Kerzen im Krankenhaus
  3. Man kann „Trittsteine“ nicht legen für die Angehörigen, nur ihre Entstehung ermöglichen, dem Entstehen von Stolpersteinen vorbeugen. In diesem Sinne ist auch Stellvertretung—Trittstein sein—eine wichtige Funktion!